Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

ducte, und hauptsächlich der verschiedenen Getreidearten, ins Sinken gekommen Waren, da mußte das Fallen der Bodenrente um so schwerer empfun­den werden, als vorher die Lebensansprüche der Besitzer und Arbeiter, sowie die Arbeitslöhne und öffentlichen Abgaben bedeutend gestiegen waren. Zwar war zugleich der Zinsfuß für das Geldcapital gesunken, aber dieser Vortheil übertrug sich für die Schuldner doch nur langsam auf den Hypotheken­zinsfuß, da für unkündbare Hypotheken der frühere hohe Zinsfuß auch jetzt noch bezahlt werden mußte. Der zum Theil stark gesunkenen Bodenrente standen somit gegenüber die unveränderten oder doch nur wenig veränderten Ausgaben für Verzinsung des Capitals, die erhöhten Ausgaben für Arbeits­lohn und für öffentliche Zwecke, sowie zur Bestreitung des eigenen Lebens­unterhaltes des Eigenthümers oder Pächters. Nur ein Vortheil entsprang für den ländlichen Grundbesitzer aus dem Sinken des Geldcapitalzinses, wenn er überhaupt als ein Vortheil bezeichnet werden darf. Während nämlich die Bodenrente überall gesunken war, wo es dem Grundbesitzer nicht möglich ge­worden, solche Producte zu erzeugen, deren Preise sich behauptet, hatten die Bodenpreise durchaus nicht in demselben Verhältniß wie die Bodenrente ab­genommen. Weshalb das nicht geschehen war, ist ja klar, und auch hierauf hatte schon Rodbertus hingewiesen: zwar hatte sich in der Bodenrente der Multiplicandus verringert, dagegen war der durch das Sinken des Capital- zinses bedingte Multiplicator gestiegen. So war es denn unvortheilhaft, zu besitzen, aber vortheilhaft, zu verkaufen. Aber während in der Prosperitäts­periode der großen Zahl von Verkäufern eine ähnliche Zahl von Käufern gegenüberstand, stehen jetzt fast alle Güter nach einer von dem Grafen von Zedlitz-Trützschler in der Agrarconferenz mitgetheilten Schätzung sollen es 4s aller Güter im Nordosten sein zum Verkauf, aber es fehlt fast gänzlich an Käufern, welche die hohen Preise zahlen wollen und zahlen können. Auch fehlt es den Grundbesitzern jetzt nicht an Credit, Wohl aber vieler Orts an den Mitteln, um die Zinsen zu bezahlen.

So ist denn die charakteristische Situation der Gegenwart, die sich hier schärfer, dort weniger scharf ausspricht, diese: daß die Bodenrente vielfach nicht hinreicht, um die von den Grundbesitzern eingegangenen Verpflichtungen oder sonst nothwendige Ausgaben zu bestreiten, und daß viele dem freien Verkehr unterworfene Güter verkäuflich sind, für dieselben sich aber nur selten Käufer finden. Kommt es endlich zum Zwaugsverkauf, so fällt ein Theil der Hypotheken aus. Geradezu haarsträubende Zahlen werden uns in dieser Be­ziehung für Oesterreich angeführt, indem wir aus den für die österreichischen Länder mit geregelten Grundbüchern zusammengestellten Zahlen entnehmen, daß in den fünfundzwanzig Jahren zwischen 18681892 von 660,7 Millionen Gulden eingetragener ländlicher Hypothekenforderungen 287 Millionen Gulden^ 43,4 Procent wegen Unzulänglichkeit des Erlöses aus der Zwangsversteigerung gelöscht wurden. Für den größten Theil Deutschlands läßt uns die Statistik in dieser Beziehung leider im Stich. Nach Privatnachrichten sollen die Güter­preise in einigen Gegenden allerdings gesunken sein. So wurde in der Agrar- couferenz aus einzelnen Gemeinden der Rheinprovinz berichtet, daß der Preis