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Deutsche Rundschau.
schwieriges Werk" — wie es die vorher erwähnte Gestaltung widerstandsfähiger Rechtsverhältnisse für ländlichen Besitz ist — so hieß es daselbst, „ist nicht durchführbar ohne die dauernde Mitarbeit selbständiger, auf öffentlich rechtlicher Grundlage ruhender Organe von Berufsgenossen, woran es der Landwirthschast bisher gefehlt hat. Die Herstellung einer allgemeinen corpora- tiven Vertretung der Landwirthschast ist daher der erste Schritt zu dem bezeichnten Ziele."
Das betreffende Gesetz über die Landwirthschaftskammern kam dann auch wirklich am 30. Juni 1894 zu Stande.
II.
Schon vorher aber hatte der preußische Minister für Landwirthschast, Domänen und Forsten eine Anzahl von Männern der landwirtschaftlichen Praxis und Theorie zur Theilnahme an Konferenzen eingeladen, in denen einige Wichtige Punkte der geltenden Agrarverfassung hinsichtlich ihrer Reformbedürftigkeit besprochen werden sollten. Der Einladung waren zugleich einige im Ministerium ausgearbeitete Schriftstücke, namentlich ein Arbeits- und Berathungs- programm, beigelegt. In seiner zu Beginn der Konferenzen am 28. Mai 1894 gehaltenen Rede betonte der Minister nachdrücklich, daß die Zusammenkunft lediglich von ihm ausgegangen sei, und daß er demnach allein die Verantwortung für dieselbe trage.
An der Konferenz nahmen außer dem einladenden Minister und einem Stabe von sechs Beamten seines Ministeriums noch Theil: der Finanzminister vr. Miguel und außerdem je ein Vertreter des Finanz-, Justiz- und des Ministeriums des Innern, die Directoren des statistischen Büreaus des Reiches und Preußens, der Präsident des Oberlandesculturgerichts, die Präsidenten der Frankfurter und Bromberger Generalcommission, welche mit der Etablirung von Rentengütern betraut sind, Richter, Mitglieder der provinziellen Selbstverwaltung, Directoren genossenschaftlicher Verbände und landschaftlicher Kreditinstitute, sowie einer Hypothekenbank, hervorragende praktische Land- und Forstwirthe, endlich verschiedene Professoren der Jurisprudenz und Nationalökonomie, im Ganzen circa fünfzig Personen.
Die Geladenen gehörten Alle, mit Ausnahme von Zweien, dem Preußischen Staate an: von den zwei Nichtpreußen war der Bankdirector vr. Hecht erschienen, der Verfasser dieses Berichtes aber zu seinem Bedauern am Erscheinen verhindert.
Die Versammlung tagte vom 28. Mai bis 2. Juni d. I., an den meisten Tagen unter Präsidium des Ministers für Landwirthschast, der die Zügel im Allgemeinen ebenso fest in der Hand zu halten wußte, wie er sich dem Einzelnen gegenüber als liberal und entgegenkommend zeigte.
Die Discussion zerfiel in eine General- und mehrere Specialdiscussionen. Aus die erste entfielen drei und auf die letzteren zusammen ebenso viele Tage. In der Generaldiscussion, die sich etwas weit ausspann und in der manche Specialpunkte anticipirt wurden, gelangte namentlich die Lage der Grundbesitzer in den verschiedenen Gegenden Deutschlands zur Sprache. Der erste Tag der