Heft 
(1894) 81
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Die Reform der preußischen Agrarverfassung und die Berliner Conferenz.

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Dasselbe Verfahren hätte in einer Anzahl typischer Gemeinden in An­wendung gebracht werden können. Dadurch wäre ein Schlüssel gewonnen worden, mittels dessen man die allgemeinen Ergebnisse der Schuldausnahme zu corrigiren im Stande gewesen wäre.

Was wir für Preußen an agrarstatistischen Aufnahmen dieser Art besitzen, beschränkt sich auf die Statistik der landwirthschastlichen Betriebe nach der Berufszählung von 1882, der Vertheilung des Grundeigenthums auf Grund der Gebäudesteuerrevision von 1878, der Eintragung und Löschung der länd­lichen Hypotheken, welche seit sieben Jahren erfolgt sind, der öffentlichen Ver­steigerung der ländlichen Anwesen u. s. w. Diese Arbeiten sind aber zum Theil mit großen Mängeln behaftet oder versprechen erst nach mehrmaliger Wiederholung nützliche Resultate zu geben. Dieser unvollkommene Zustand der preußischen Agrarstatistik ist aber heute gefährlicher als vor zehn Jahren, weil die Regierung heute nicht mehr so mächtig ist, und ihren Willen daher, sofern derselbe auf radicale Maßregeln zur Besserung der Lage der ländlichen Grundbesitzer gerichtet sein sollte, nicht ohne Weiteres durchzusetzen vermag. So ist es denn erklärlich, daß man von einzelnen Seiten aus eine Vervollständigung der statistischen Unterlagen für eine genaue Kenntniß der bestehenden Zustände hindrängte, während die Mehrzahl der Conferenzmitglieder sich dieses Mal leider für diesen Gegenstand nicht erwärmen zu können schien; vielleicht weil sie annahm, daß die Stimmung extra muro8 dieselbe sei wie intra mnros. Das, Was von Sombart, Conrad und A. Wagner an Arbeiten für die Agrarstatistik der nächsten Jahre verlangt wurde, war im Wesentlichen eine Erneuerung der Statistik der landwirthschastlichen Betriebe, sowie eine statistische Aufnahme der hypothekarischen Belastung und des Besitzwechsels. Mit Recht war man der Ansicht, daß Deutschland dieser und ähnlicher Aufnahmen, die in anderen Staaten gemacht werden, und für deren Ausführung es auch in Deutschland weder an den nöthigen materiellen Mitteln noch persönlichen Kräften fehle, nicht zu entbehren brauche.

III.

Eiue momentane Besserung der Lage der Landwirthe wäre sicher durch eine Erhöhung der Bodenrente zu erzielen, sei es, daß diese sich als Resultat einer Erhöhung der Preise für die bisher im Preise gesunkenen und in den Handel gelangenden landwirthschastlichen Producte oder einer Verminderung der Productionskosten, oder als Resultat beider Ursachen ergeben würde. Aber eine Reihe dieser Factoren ist theils vom Staate nicht beeinflußbar, theils würden die betreffenden Maßregeln in die Competenz des Reiches fallen. Dahin gehört namentlich die Steuer-, Zoll-, Handels-, Währungs-, Ver­sicherung^ u. s. w. Gesetzgebung. Diese Gegenstände waren aber nach den Einleitungsworten des Präsidenten von den Berathungen der Conferenz ausgeschlossen. Nur einige wenige Redner sind daher aus dieselben ein­gegangen, aber die meisten derselben haben doch nachdrücklich betont, daß die Durchführung der zur Debatte stehenden und nicht auf directe Hebung der Bodenrente sich richtenden Maßregeln nur dann von Erfolg begleitet sein