Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

Wird, wenn es gelingen sollte, sie in Verbindung zu bringen mit einer directen Hebung der Bodenrente. Aber wie jene aus der Conserenz zur Discussion gestellten Maßregeln allein sür die Prosperität der gegenwärtigen Generation der Landwirthe wenig bedeuten, so versprach man sich umgekehrt auch von der Hebung der Bodenrente allein sür die Dauer wenig. Denn diese letztere würde, so meinte man, ähnliche Erscheinungen zu Tage sördern, Wie sie in den vierziger bis siebziger Jahren zu Tage getreten sind, zumal zur erwarteten Erhöhung der Bodenrente als Multiplicandus neuerdings noch durch das Steigen des Capitalzinses eine Erhöhung des Multiplicators sich eingestellt habe. Wieder werde daher der Verkehrswerth steigen, und wieder die hypothekarische Schuldenlast in Folge neuer rückständiger Kaufschillinge und Erbgelder zunehmen, so daß die ländlichen Grundbesitzer nach einiger Zeit auf demselben Punkte stehen würden, den sie jetzt einnehmen. Hier gelte es daher einzusetzen, eine Herabminderung der bestehenden hypothekarischen Ver­schuldung durchzusetzen und eine weitere Vermehrung derselben für die Zu­kunft auszuschließen, um wenigstens für spätere Zeit gesunde Zustände zu schaffen. Das könne aber nur dadurch geschehen, daß zunächst das Erbrecht eine Abänderung erleide; denn es entspringt aus dem ungetheilten Uebergang des väterlichen Gutes an einen der Erben nach gemeinem Rechte eine starke Verschuldung desselben durch die Erbtheile der Geschwister, und aus der Naturaltheilung des ererbten Grundbesitzes unter sämmtliche oder doch mehrere Erben das Bestreben dieser, ihren kleinen Grundbesitz zu erweitern und zu arrondiren, was aber wieder zur Belastung der Güter mit rückständigen Kauf­schillingen führt, die aus den zugekauften Grundstücken stammen. Nur aus­nahmsweise Pflege sich die Vermehrung der Verschuldung in Folge des gelten­den allgemeinen Erbrechts vermeiden zu lassen: dann nämlich, wenn der guts­übernehmende Erbe eigenes Geldcapital besitzt, aus dem er seine Miterben ab- sinden kann, oder wenn das Nachlaßgut in die Hand einer dritten Person übergehe, die das den Erben fehlende Capital besitze. Aber diese beiden Fälle Werden doch nur die Ausnahme von der oben bezeichnten Regel bilden, die uns die Steigerung der Gutsverschuldung als Wirkung des geltenden all­gemeinen Erbrechts zeigte. Von dem größten Einflüsse ist das Erbrecht namentlich aus den ganz kleinen und ganz großen Grundbesitz, weil dieser ge­wöhnlich in der Familie vererbt zu werden Pflegt, während der mittlere Grundbesitz im nordöstlichen Preußen wenigstens viel öfter durch Veräuße­rungen unter Lebenden in andere Hände gelangt. Aber freilich, was durch das Erbrecht bewirkt wird, das wird auch der Gutskaus dann zur Folge haben, wenn der Käufer mit so ungenügenden Mitteln ausgestattet ist, daß sie ihm nur eine dürftige Anzahlung gestatten. Denn so lange die Boden­rente in rapidem Steigen begriffen, ist es vortheilhast, mit kleinem Capital große Güter zu kaufen, wie in den Konferenzen wiederholt näher ausgeführt Wurde. So theilte Professor Conrad mit, daß sein Vater in den dreißiger Jahren ein Gut mit Anzahlung nur eines Neuntels des Kaufpreises erworben und sich dabei ein Vermögen gemacht habe. Auch seine drei Brüder hätten eine Generation später Güter gekauft, wobei ihnen Anfangs nur ein Fünftel