Die Reform der preußischen Agrarverfassung und die Berliner Konferenz. 207
ersteren Modus wurde geltend gemacht, daß, so leicht der Bauer sich Dinge gefallen läßt, die er für unabänderlich hält, er um so mehr zum Widerspruch geneigt ist, wenn er ausdrücklich gefragt wird, vollends wenn die Fragenden Beamte sind.
Drittens erklärte man sich fast einstimmig für das Anerbenrecht in Form des subsidiären Jntestatanerbenrechts, d. h. das Anerbenrecht würde zum präsumtiven Willen aller selbständigen ländlichen Grundbesitzer, zumJntestat- erbrecht erklärt werden, wobei es dem Einzelnen unbenommen bleiben sollte, seinen anders gearteten Willen testamentarisch oder in sonst rechtsverbindlicher Weise zum Ausdruck zu bringen. Als Jntestaterbrecht besteht das Anerbenrecht schon gegenwärtig für die Erbpächter verschiedener Kategorien in Mecklenburg-Schwerin, für die Bauern in Lippe und in Braunschweig. Eine mißliche Erfahrung, die man in letzterem Staate mit der sacultativen Unterwerfung der sogenannten Pertinenzgüter unter das Anerbenrecht im Jahre 1858 gemacht, hatte hier schon früh zur Begründung des Jntestatanerbenrechts für die Bauerngüter geführt; ähnlich, wie die Erfahrungen, die man in den siebziger und achtziger Jahren in einer Anzahl preußischer Provinzen mit der Höferolle gemacht hat, jetzt auch den gleichen Schritt für die preußische Monarchie nahe legen.
Dagegen ist viertens die Begründung des Jntestatanerbenrechtes als absolutes, d. h. unabänderliches Recht aus vieles Widerstreben innerhalb der Konferenz gestoßen und soll allenfalls nur zugelassen werden für diejenigen Güter, die man eben in zweckmäßigem Umfange begründet hat und in solchem auch für die Zukunft erhalten wissen will, was bei einem Theil der Rentengüter zutrifft.
Im Uebrigen wurde verlangt, daß unabhängig von den Arbeiten des deutschen bürgerlichen Gesetzbuches der Erlaß eines Anerbenrechtgesetzes für Preußen betrieben werde, wobei der Vorschlag Gierke's auf keinen Widerspruch stieß, daß durch ein allgemeines, für den gesammten preußischen Staat zu erlassendes Gesetz die Grundzüge desselben sestgestellt werden sollen, wogegen die nähere Ausfüllung dieses Rahmens je nach den örtlichen Bedürfnissen für einzelne Landestheile zu geschehen haben würde. Zu den Grundzügen rechnet Gierte die Bestimmung, daß das landwirthschaftliche Gut an einen Erben übergehe und zwar zu einer Taxe von solcher Höhe, daß dem Anerben die Erhaltung des Besitzes nicht unmöglich gemacht werde, die Abfindung des Miterben in Form einer amortisirbaren Reute u. s. W. Zu den localen Ausführungsbestimmungen dagegen sollen, ebenfalls nach Gierte, gehören: die nähere Bezeichnung der Güter, die dem Anerbenrechte unterworfen werden sollen, also etwa alle ländlichen Grundstücke, die ihre Besitzer vollständig zu ernähren im Stande sind, mit Ausnahme der der Industrie und dem Gartenbetriebe dienenden kleineren Güter, die Feststellung der Person des Anerben und des Verhältnisses desselben zu den Pflichttheilsberechtigten, insbesondere die individuelle Ermittlung der Abfindung im einzelnen Fall durch locale Instanzen mit Hinzuziehung von Familienangehörigen u. s. W.