Heft 
(1894) 81
Seite
214
Einzelbild herunterladen

214

Deutsche Rundschau.

Beleihungsgrenze mitzubieten, dieselben sich zuschlagen zu lassen und die früheren Eigenthümer oder deren Verwandte oder Dritte auf deren Wunsch in den Besitz einzusetzen, nachdem dieser von demjenigen Theil der Schulden be­freit worden, der nicht in der Meistbotsumme enthalten ist. Gegen diesen Gedanken wurde eingewendet, daß ein Theil der Grundbesitzer, namentlich die größeren, sich zu dieser Art, sich eines Theiles ihrer Schulden zu entledigen, kaum verstehen würde; denn es würde das an Praktiken gute Pleite! erinnern, die auch heute schon geübt werden, aber nicht als anständig gelten.

Von diesem Standpunkte würde sich allerdings weniger einwenden lassen gegen den zweiten, ebenfalls auf der Conferenz vorgebrachten Vorschlag, daß die Grundbesitzer-Corporation im Namen der einzelnen Grundbesitzer mit deren Gläubigern über eine Reduction der hypothekarischen Schulden ver­handeln solle. Für diesen (ebenfalls von Sering. aber auch von Schmoller u. A. vertretenen) Gedanken ließe sich anführen, daß die Gläubiger einen bereits tatsächlich bestehenden Zustand ja nur formell anzuerkennen hätten, und daß es für die Grundbesitzer leichter sei, auf ihrem Gute zu bleiben, wenn ihre Gläubiger freiwillig einen Theil ihrer Forderungen gestrichen haben, als solches zu thun, wenn die Gläubiger in der Form Rechtens - im Wege der Zwangs­vollstreckung einen Theil ihrer hypothekarischen Rechte verloren hätten. Doch wird auf dem Wege der Zustimmung Seitens der Gläubiger eine nennenswerthe Schuldentlastung Wohl kaum zu erzielen sein, worauf in der Conferenz ebenfalls aufmerksam gemacht wurde.

Von dem Plane, daß die nichtüberschuldeten Gutsbesitzer auch für die überschuldeten zu haften hätten, der u. A. von Schmoller in beredten Worten vertreten wurde, werden aber Wohl die ersteren kaum etwas wissen wollen, da der individualistische Sinn nicht nur bei den Bauern, sondern auch bei den Rittergutsbesitzern ebenso stark, wie der genossenschaftliche in obigem Sinne schwach entwickelt ist.

Dagegen verspricht der von den Conferenzmitgliedern Graf Stosch, Bon und von Gustedt befürwortete Weg einen größeren Erfolg. Derselbe würde darin bestehen, daß der Staat die Provinzial-Hülfskassen und Landschaften, Welche die Entlastung der übermäßig verschuldeten Güter durchzuführen hätten, in ihrem Vorhaben mit seinem Credit unterstützen müßte, ähnlich wie er am Schluß der siebziger Jahre der schlesischen Provinzial-Hülfskasse ein zinsen­freies Darlehn von einer Million Mark auf zwanzig Jahre gewährt hatte, damit den in Noth gerathenen kleinen Grundbesitzern Oberschlesiens geholfen werde. Die Entlastung wäre hauptsächlich dadurch durchzuführen, daß eine Conversion der hoch verzinslichen Schulden niedriger verzinsliche vorgenommen und diese allmälig getilgt würden. Daß der Staat bezw. Provinzialorgane in allen Fällen, in denen sie ihre Hülfe den Grundbesitzern in der Noth darbieten, sich durch Einschränkung der Versügungsfreiheit dieser letzteren gegen eine Durchkreuzung ihres Ablösungsplanes sicher stellen müßten, ist selbstverständlich. Jedenfalls erscheint das Opfer des verschuldeten Grundbesitzers weniger be­denklich, als das Opfer, das unter Umständen auch den Gläubigern angesonnen Werden müßte; aber beide Opfer würden nur dann verlangt und angenommen