Heft 
(1894) 81
Seite
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Tie Reform der preußischen Agrarverfassung und die Berliner Konferenz. 215

Werden dürfen, wenn die Ueberschuldung wirklich Dimensionen angenommen hat, die sie als einen allgemeinen Nothstand erscheinen lassen.

Endlich braucht der Plan, die Grundentlastung Seitens zu bildender Ge­nossenschaften mittels der Ausgabe von unverzinslichen Grundnoten durch- zusühren, hier nur kurz gestreift zu werden, und kann von der Verknüpfung desselben mit der Währnngsfrage vollends abgesehen werden. Denn er stammt nicht aus der Mitte der Agrarconferenz, sondern ist dem Bunde der Land- wirthe von vr. v. Skarzhnski unterbreitet und von einigen Mitgliedern dieses Bundes, die zugleich Mitglieder der Agrarconferenz waren, hier, wie Wie es schien, mit nicht recht starkem Glauben an die Realisirbarkeit ihres Projectes, vertreten worden.

lieber die Nothwendigkeit einer Reform des Grunderbrechts bestand unter den Mitgliedern der Conserenz, wie unter den Schriftstellern, die sich über diesen Gegenstand geäußert haben, nahezu Einmüthigkeit. Ich nenne von den letzteren namentlich Hclferich, Roscher, Schmoller, Conrad, Buchenberger, E. Jäger, v. Ceto-Reichertshausen, Hullmann, v. Beaulieu-Marconnah, Braun, Mehersburg und den Verfasser dieses Referats. Dieselbe Erscheinung, wie im Norden des Deutschen Reiches, begegnet uns auch in Oesterreich, wo die meisten Schriftsteller, die sich über das Grunderbenrecht geäußert.haben, für das Anerbenrecht eingetreten sind; so die clerical-conservativen Freiherr v. Vogelfang und Gras Chorinski, der Antisemit Preser, die Liberalen Peez, von Jnama, Marchet, Bärnreither und v. Grabmair, endlich die politisch mehr indifferenten L. v. Stein und C. v. Peyrer.

Dagegen gingen die Ansichten über die Nothwendigkeit oder doch Wünsch- barkeit einer neuen Grundentlastung, sowie einer Beschränkung des hypo­thekarischen Kredits auseinander; und selbst diejenigen, welche für diese Ein­richtungen eintraten, schienen es nicht mit demselben Ernst zu thun, wie die Vertreter der Erbrechtsreform.

Möglich, daß der Unterschied in der Vertretung der beiden Programme darin beruht, daß die Anerbenrechtssrage schon seit längerer Zeit durch Wort und Schrift eingehend behandelt worden ist, ja daß aus diesem Gebiet bereits einige mehr oder minder günstig verlaufene Experimente vorliegen, während der andere Gegenstand, die Grundschuldentlastung und Beschränkung erst neuerdings zur Diskussion gestellt und daher noch nicht genügend durchdacht und verarbeitet worden ist.

Möglich aber auch, ja wahrscheinlich ist, daß das ungleiche Resultat be­wirkt wurde nicht so sehr durch die verschiedene Dauer und Intensität der Beschäftigung mit den beiden Gegenständen, als vielmehr durch das verschiedene Maaß innerer Schwierigkeiten, auf Welche diese Fragen bei ihrer Durchführung stoßen würden.

Denn das Anerbenrecht in der vorgeschlagenen Form eines subsidiären Jntestaterbrechts verletzt das Princip der individuellen Freiheit in keinem Punkte, sondern sucht im Gegentheil sein Anwendungsgebiet noch zu erweitern, während die Grundentlastung dazu führt, eine Collision zwischen den Inter­essen der Grundeigentümer als Schuldner und der Capitaleigenthümer als