Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Gläubiger zu Gunsten der Ersteren zu entscheiden, und ferner die Verschuldungs­beschränkung in die Freiheit des Einzelnen eingreift, so zwar, daß dieser Eingriff die weitestgehenden Konsequenzen für das Rechtsleben (Zwangsvoll­streckung, Concursrecht u. s. w.), ebenso wie für das wirthschaftliche Leben (Einfluß auf den Personalcredit u. s. w.) haben müßte. Endlich begegnen diese Eingriffe bei ihrer Durchführung noch folgenden Schwierigkeiten: es soll die Benützung des Productivcredits nicht, Wohl aber die aller andern Arten desselben gehemmt werden; es soll, um auf eine Rednction der Güterpreise einzuwirken, die Benutzung des Besitzcredits beschränkt und doch die aufwärts­strebende Bewegung der besitzlosen Elasten, die naturgemäß größtentheils auf den Kreditkauf angewiesen sind, nicht gehindert werden. Die Schwierig­keit der Grundschuldentlastung, soweit sie nicht ohne Opfer der Gläubiger oder des Staates durchzusetzen wäre, würde aber darin bestehen, daß sie sich immer nur nach der Höhe, nicht aber nach den Gründen der Belastung richten würde; sie würde also in gleicher Weise zu Gute kommen Demjenigen, der zu­gleich ohne seine Schuld durch eine Verkettung widriger Umstände, sowie Demjenigen, der durch seine Kurzsichtigkeit, seine Indolenz, seinen Leichtsinn in Noth gerathen ist. Eine solche Maßregel würde also das Gegentheil der Iw88ar-kair6-Politik bedeuten und bewirken; denn während diese von der Fiction ausgeht, daß alle gleichmäßig befähigt sind, ihre Interessen wahrzunehmen, und daher sich selbst überlassen werden können, läßt der Staat oder wer immer die Schuldentlastung durchführen würde, dieselbe allen zu stark Verschuldeten angedeihen, indem sie derselben für bedürftig und zugleich für würdig ge­halten werden.

VII.

In der Frage der wünschenswerthesten Creditorganisationen war dagegen wieder viel mehr Uebereinstimmung vorhanden, ähnlich wie in der des An­erbenrechts.

Im höchsten Grade erfreulich erschien es, daß ein Theil der preußischen Creditorganisationen die allgemeinste Billigung fand, sodaß nicht von Neu­einrichtungen, sondern nur von Entwicklungen in Anknüpfung an Bestehen­des die Rede war. Der Verlauf der Discussion bewegte sich zum Theil in Bahnen, die ich in meinem auf der Generalversammlung des Vereins für Social­politik im September 1888 erstatteten Einleitungsvortrage eingeschlagen hatte H.

Im Einzelnen sei wiederholt, daß das eben Gesagte hauptsächlich von den Anstalten für den hypothekarischen Credit gilt. Die Trefflichkeit der Land­schaften, sowie der mit denselben hie und da verbundenen sog. Darlehnskassen wurde einmüthig anerkannt und nur bedauert, daß die Amortisationseinrich­tung in einer Anzahl derselben zum Schein herabgesunken ist. Auch wurde beklagt, daß die Landschaften der verschiedenen Provinzen und Kreise in un­gleichem Maße dem bäuerlichen Grundbesitze zu Gute kommen, und zwar je nachdem die Betreffenden in der Verwaltung machtgebenden Persönlich­keiten der Jncorporirung des bäuerlichen Grundbesitzes geneigt sind oder nicht.

Meine agrarpolitischen Zeit- und Streitfragen, S. 282 ff., namentlich aber 304 ff.