Erinnerungen an August Mariette.
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fort, indem er zugleich, es war im Jahre 1849, zum ersten Male eine wissenschaftliche Arbeit über einen ägyptischen Gegenstand in der „Rovus areüso- loßigus" erscheinen ließ. Ein schweres Hinderniß in seinem Fortkommen am Louvre, dem er zugewiesen blieb, bereitete ihm in demselben Jahre der gelehrte Vicomte Emmanuel de Rouge, welcher schon damals durch seine ägyptischen Arbeiten, die in der Akademie öffentlich vorgelesen wurden, allgemeines, aber sehr berechtigtes Aussehen erregte, besonders nachdem die Regierung dem jungen Vicomte die Mittel zur Bereisung der ägyptischen Sammlungen in Leyden. Berlin. Wien, Turin, Florenz. Rom und Neapel in reichstem Maße zu Gebote gestellt hatte. Es war nicht leicht, eine solche Concurrenz zu überwinden, und Mariette mußte die Gegnerschaft um so schwerer fühlen, als de Rouge die Stellung eines Honorar-Directors der ägyptischen Sammlungen des Louvre übernommen hatte und ihn zu seinen Untergebenen zählte. Ich weiß aus den mündlichen Mittheilungen meines verstorbenen Freundes, wie tief er sich dem vornehmen Vicomte gegenüber gedemüthigt fühlte, andererseits aber auch, wie sehr der Vicomte Grund hatte, in Mariette einen stillen und gefährlichen Nebenbuhler zu fürchten.
Das Verhältniß zwischen beiden wurde immer unleidlicher, so daß Mariette sein ganzes Denken und Trachten daraus richtete, ähnlich wie de Rouge, mit einer wissenschaftlichen Mission betraut zu werden, die ihn aus einige Monate fern vom Louvre hielt und ihm die Gelegenheit verschaffte, selbständige Arbeiten liefern zu können. Er richtete ein Gesuch an das Unterrichts-Ministerium, um die erforderlichen Mittel zu einer Reise nach Aegypten zu erhalten, zu dem besonderen Zwecke, koptische Handschriften zu erlangen, nachdem es einer englischen Mission damals gelungen war. für das Britische Museum in London eine Menge werthvoller syrischer Handschriften in den sogenannten Natronklöstern zu gewinnen. Mariette verstand wenig von der koptischen Sprache und Literatur und die erbetene Mission erfüllte für ihn allein den Zweck, die Mittel zu Nachgrabungen in Aegypten zu liefern. Mit einer Summe von sechstausend Franken und einem sechsmonatlichen Urlaube, der vom I. September 1850 seinen Anfang nehmen sollte, trat er seine Reise übers Meer an, um niemals mehr seine Arbeiten im Louvre sortzusetzen. Seine Frau und seine Kinder blieben in Paris zurück und bezogen die geringe Besoldung, welche er früher für seine Arbeiten im Louvre erhalten hatte.
Kaum war Mariette in Aegypten gelandet, so sing er damit an, seine Forschungen den Alterthümern zuzuwenden, von denen auch die Stadt Alexandrien, in welcher er gelandet war. eine genügende Auswahl besaß. Es waren vor Allem Sphinxgestalten, d. h. liegende Löwenkörper mit menschlichem Haupte, sämmtlich ans Kalkstein hergestellt, von kaum Meterlänge und häufig mit griechischen Buchstaben bekritzelt, welche Mariette in den Gärten reicher Alexandriner ausgestellt fand, und welche, nach seinen Erkundigungen, von einem Antikenhändler, einem spanischen Juden Namens Fernandez, käuflich erworben worden waren. In Kairo selber zog Mariette bei der genannten Persönlichkeit, die damals in einer schmalen Seitengasse der Muski- Straße einen Laden mit Kleinwaaren eröffnet hatte, nähere Erkundigungen
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