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Deutsche Rundschau.
über die Herkunft der Sphinxe ein, und der Händler war gesprächig genug, ihm eine Gegend in der Wüste westlich von dem Dorfe Abusir, in vierstündiger Entfernung von Kairo, als Fundort jener Gestalten zu bezeichnen.
Damit war für den französischen Archäologen der Ausgangspunkt feiner späteren großartigen Entdeckungen geliefert. Er erinnerte sich sofort an die Stelle, welche der Geschichtschreiber Strabo über dieselbe Gegend geliefert hat. Sie lautete: „Ein Serapistempel ist auch daselbst an einem sehr sandigen Orte, so daß vom Winde Staubhügel ausgehäust werden, von welchen wir die Sphinxe theils bis zum Kops verschüttet, theils halb sichtbar erblickten, woraus man die Gefahr entnehmen kann, wenn den zum Tempel Gehenden ein Windstoß überfällt." Mariette begab sich an Ort und Stelle — wie mir gegenüber Fernandez behauptete, in seiner Begleitung — sah tatsächlich einen der Sphinxköpfe, welche in einer Vertiefung aus dem Sande hervorragten, und sofort war sein Plan gefaßt, an diesem Orte Nachgrabungen zur Aufdeckung des alten Serapeums von Memphis in größtem Maßstabe anzustellen. Das Glück war ihm hold, denn bereits gegen Ende des Jahres 1850 hatte er den eigentlichen Zugang zu den Gräbern der heiligen Apisstiere (der Osor-Hapi von Osiris-Apis ^ Serapis) gesunden und der Wissenschaft eine ungeheure Quelle der Erkenntniß geöffnet. Ich begnüge mich mit dem Hinweis aus Tausende von Inschriften in Hieroglyphen, in hieratischer und in demotischer Schrift, welche aus den dunklen Räumen an das Tageslicht gezogen wurden und gegenwärtig zu den Schätzen des Louvre gehören.
Es war im Februar des Jahres 1853, als mich zum ersten Male der Weg von Kairo aus nach dem Serapenm führte. Vier Stunden lang trug mich mein Miethsesel durch das grüne, hochaufgeschossene Getreide, während der muntere Treiberjunge lustig daneben einhertrabte und mir arabische Lehrstunden gab. Der sandige Ausstieg zur Wüste auf der letzten Strecke des Weges Wurde glücklich überwunden und ich stand vor der schmalen Holzthür, welche den Eingang zur Terrasse vor dem Hause Mariette's bildete. Ein wohnliches Gebäude mitten in der Wüste gehört natürlich zu den größten Seltenheiten, da der Transport der Ziegelsteine in das Sandmeer hinein heutzutage erhebliche Kosten bereiten dürfte. Zum Glück hatten die Alten selber für das Baumaterial gesorgt, denn Marie tte hatte so viel altes Ziegelwerk im Serapenm entdeckt, daß er mit Hülfe der gefundenen Masse einen ganzen Palast, geschweige denn ein bescheidenes Haus zu ebener Erde, hätte aufführen lassen können.
Auf das mehrmalige Anschlägen des Eselsbuben öffnete ein Beduine die hölzerne Pforte, und ich sah im Innern auf der Terrasse einen kräftigen Mann von hoher Statur in europäischer Tracht stehen, dessen blondhaariges Haupt mit einem Tarbusch bedeckt war, so roth Wie das Gesicht darunter. Es war Marie tte selber, der bei dem Anhören meines Namens aus mich zueilte, mich umarmte und zum Eintritt in sein Haus einlud. Diesem ersten Augenblicke folgte eine dreißigjährige Freundschaft. Ich wurde sofort der ständige Gast im Hause beim Serapenm, besaß mein eigenes Zimmer und kroch Monate lang mit Mariette im Sande herum, da wir auch die letzten Winkel und