Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Er besaß eben das. was die Franzosen als1a doLss" bezeichnen, den an- gebornen Spürsinn. Seine Stärke lag in dem, was man die Arbeit des Archäologen benennt, aber seine Schwäche, wie gesagt, in der Entzifferung der Hieroglyphen, die ihm die größten Schwierigkeiten zu bereiten Pflegte. Er empfand diesen Mangel in die tiefste Seele hinein, und schrieb demselben die Mißerfolge zu, denen seine Arbeiten, wie er fürchtete, ausgesetzt seien. Ich war so glücklich, ihm manche Zweifel zu lösen, seine Lesungen zu bestätigen oder zu berichtigen, mit einem Worte, ihm als Helfer zu dienen. Seine Dankbarkeit mir gegenüber kannte keine Grenzen, besonders in jener Periode, welche zwischen seiner Rückkehr nach der Heimath und seiner Anstellung in ägyptischen Diensten lag. Es war zugleich die Zeit, in welcher er am meisten mit Noth und Entbehrungen zu kämpfen hatte. Er, welcher der französischen Regierung die kostbarsten Denkmäler des Alterthums im Werthe von Hundert- tausenden als Eigenthum überliefert hatte, wußte oft kaum, wie er die noth- wendigsten Ausgaben bestreiten sollte. Seine in dieser Periode an mich ge­richteten Briefe malen mehr als alle weitläufigen Beschreibungen den Seelen­zustand und die Herzensqualen des geprüften Mannes. Man begreift es, daß ihn die Sehnsucht nach Rückkehr in das Nilthal befiel, und daß er sich täglich mit dem Gedanken beschäftigte, diese Sehnsucht zu verwirklichen. Thatsächlich sollte ihm das Glück zu Theil werden, seine heißen Wünsche erfüllt zu sehen und ein Museum zu gründen, dessen Reichthum bis zur Stunde alle Welt in Erstaunen setzt. Die Mittel dazu gewährten ihm großherzige Vicekönige Aegyptens, wenn auch im steten Kampfe mit Schwierigkeiten, wie sie einmal bei allen Geldangelegenheiten von den morgenländischen Staatskassen unzer­trennlich sind.

Nach einem vierjährigen Aufenthalte in der Wüste, vom Jahre 1850 an bis 1854 hin, in die Heimath zurückgekehrt, bereiteten schon die ersten Tage seines Aufenthaltes in Paris ihm wenig Freude, und ließen ihm die Zukunft in einem düstern Lichte erscheinen. Ein Brief, welchen er am 15. November 1854 an mich richtete, spricht dies in deutlichster Weise aus. Er schrieb mir:

Ich zeige Ihnen mit einem Vergnügen, welches Sie verstehen, meine end­liche Rückkehr in das schöne Paris an, das ich schon vor langer als vier Jahren verlassen habe. Trotz der Erfolge, welche der Zufall mir geschenkt hat, gestehe ich es Ihnen offen, daß ich nicht wieder ansangen möchte. Das war zu viel der An­strengungen, zu viel des Kummers, zu viel der Schmerzen und endlich der Siege,

welche allzu theuer erkauft waren. In vier Jahren habe ich Zwanzig Jahre ge­

lebt. Ich habe mich dabei ausgerieben, nicht in Bezug auf den Körper, sondern auf den Geist, und ich trete wieder in das Louvre ein mit allen Wünschen, mich der neuen Waffen zu bedienen, welche ich erobert habe; aber mit einer so ermüdeten Intelligenz, daß ich nicht die Kraft zu arbeiten in mir fühle. Wie dem auch sei, ein paar Ruhetage werden mich wieder in Stand setzen, so hoffe ich, und bald werde ich mich bereit fühlen, meinerseits in den Kampf einzutreten. Daß dieser Leichenbitterton Sie nicht traurig mache, mein theurer Freund! Ich habe schlecht geschlafen und bin mit übler Laune aufgewacht. Ich hoffe, sollten Sie bald nach Paris kommen, und wenn meine Obscurität nicht die Augen Eurer Herrlich­keit verletzt, daß Sie in mir Ihren guten und fröhlichen Kameraden aus der Wüste

wiederfinden werden. Welch' schöne Zeit, die ich mit Ihnen verlebt habe! . . . ."