Erinnerungen an August Mariette.
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In einem Briefe vom 13. September 1855, der vor Mariette's Reise nach Berlin an mich gerichtet war, beklagte sich der Entdecker des Serapeums bitter über die geringschätzige Behandlung, welche ihm in Paris von Seiten ausgezeichneter französischer Gelehrten zu Theil ward. Er ließ sich darum folgendermaßen gegen mich aus:
„So eben sind in der „Hevue äb8 äenx inonäes" und in dem „üonrnal äo8 Lavanw^ zwei Artikel erschienen, welche unter der Inspiration des Herrn de Rouge niedergeschrieben sind und, wenn auch in wohlwollender Weise, mein Porträt mit Zügen malen, die mir durchaus nicht in meiner Eigenschaft als Gelehrter schmeichelhaft erscheinen. In dem einen sagt Herr Maury in jedem Augenblick: „Herr Mariette hat im Serapeum ein Königsschild gesunden, welches Herr de Rouge Bokkoris gelesen hat", als ob ich nicht im Stande Ware, auch nur einen Königsnamen zu entziffern. In dem anderen Artikel stellt mich Herr Biot ganz einfach als einen thätigen Forscher, guten Zeichner und einen Mann dar, dem es gelungen ist, sich mit der Form der Hieroglyphen vertrant zu machen. Mit anderen Worten, Herr Mariette ist kein Gelehrter, und man muß ihn nicht als einen solchen an- sehen. Das trifft so vollkommen den Gedanken des Herrn de Rougo, daß ich seine Empfindungen gegen mich errathe und sehe, wie er mich nicht im Ernste nimmt und bemüht ist, dieselbe Meinung auch von Anderen theilen zu lassen. Nichts kann mir aber in diesem Augenblick unangenehmer sein. Ich bin nur ein Anfänger und Herr de Rouge steht auf seiner Höhe in der Wissenschaft. Zermalmt von einem Manne wie er, kann ich das unmöglich überleben. Ich nehme deshalb, theurer Freund, meine Zuflucht zu Ihnen, zu Ihrer guten und offenen Freundschaft für mich, und ohne Führer, wie ich es bin, bitte ich Sie, der meinige zu sein, mich mit Ihren Rathschlägen zu unterstützen, meine Arbeiten zu leiten, damit ich eines Tages nach ausdauernder Arbeit jenen Sonnen, welche sich über den Ausgang meines kleinen Sternes beunruhigt fühlen, zeigen kann, daß ich noch zu Anderem gut bin, als bloß Hieroglyphen zu zeichnen. Ich behaupte nicht, daß diese Herren im Grunde nicht Recht hätten. Alles in Allem bin ich nur ein dummer Kerl, aber ich habe es nicht gern, daß man es in den Zeitschriften ausspricht."
Der Brief war an dem Tage geschrieben, an welchem Paris von Kanonenschlägen, von Trommelwirbeln und Trompeten widerhallte: man feierte die Erstürmung von Sebastopol.
Gegen Ende des Monats November 1855 traf Mariette in Berlin ein, um von Alexander von Humboldt, und durch diesen Nestor der Wissenschaft vom Könige Friedrich Wilhelm IV. in der schmeichelhaftesten Weise empfangen zu werden. Der König, welchem Mariette die Ehre hatte, Pläne und Zeichnungen von Denkmälern aus dem Serapeum vorzulegen, zog Mariette zu Tisch und verlieh dem französischen Gelehrten den Rothen Adlerorden dritter Klasse. Am 28. December desselben Jahres, nach seiner Rückkehr, erhielt ich aus Paris von meinem französischen Freunde einen längeren Brief, in dem sich folgende Stellen finden:
„Ich würde undankbar sein, wenn ich vergäße, Sie zu bitten, dem verehrungswürdigen und berühmten Herrn von Humboldt meine Ehrerbietung darzubringen, dessen entzückender und mich ehrender Empfang eine unauslöschliche Erinnerung in mir zurückgelassen hat. Sagen Sie es wohl, ich bitte Sie, Herrn von Humboldt; sagen Sie ihm, daß ich ihm vom Grunde meines Herzens dafür danke. Meine Reise nach Berlin ist durch ihn eine ganze Begebenheit in meinem armen,