Heft 
(1894) 81
Seite
233
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Sans Sachs.

Ein Gedenkblatt.

Von

Erich Schmidt.

^Nachdruck untersagt-!

Der romantische Gruß:Nürnberg, du vormals hochberühmte Stadt. . . gesegnet sei mir deine goldene Zeit!" erklingt am 5. November, da es den vierhundertjährigen Geburtstag des Hans Sachs zu seiern gilt, durch alle Länder deutscher Zunge, und längst von ihrem größten Dichter bekehrt sühnt die Nation vollends, was so manches Jahrzehnt thörichter Dünkel gegen das Andenken des Meistersingers verbrochen hatte. Vornehme Lateiner und aka­demische Alexandrinerdrechsler schauten verächtlich nieder auf die Knittelreime der Schusterwerkstatt. Vereinzelt nur regte sich ein leises Verständniß für die ungeschminkte Macht dieser Sprache, die Fülle der Laune und Beobachtung, die Tüchtigkeit der Gesinnung. 1765 trat, durch ein dem Hans Sachs fälsch­lich zugeschriebenes Kirchenlied zu liebevollem Studium bewogen, Ramsch als Biograph hervor, ohne mit seinem wackeren Buch weiter und tiefer zu wirken, wie von demselben Choral ergriffen Thomasius, der immer den Muth der Meinung besaß, es für keinen Raub gehalten hatte, Hans Sachs mit Homer zu vergleichen. Auch gesunde Worte Kästner's, begeisterte Blätter des Nürn­berger Antiquars v. Murr (1772) blieben im Stillen. Ebendamals beschwor der junge Goethe imGötz von Berlichingen" das deutsche Leben des sech­zehnten Jahrhunderts in seinen Höhen und Tiefen, vom Kaiser bis zum Troß­knecht, vor dem staunenden Blick der Nachfahren, zugleich Edelsteine und Eisen aus den Sprachschachten der Vergangenheit schürfend, und wie er die gothische Baukunst dithyrambisch dem engen Kreise eines Straßburger Localpatriotismus entrückte, so wurde er der erste feurige Herold des alten Nürnberg. Von hier hatte er sich nicht zufällig die Vita des Ritters mit der eisernen Hand kommen lassen und unbestellt einen vollen Hauch der Vorzeit dazu. An die starke und tiefsinnige Kunst jener Ahnherrntage mahnte er, höhnend und preisend, die schwächlichen Puppenmaler der Gegenwart:Männlicher Albrecht Dürer, den die Neulinge anspötteln, deine holzgeschnihteste Gestalt ist mir willkommener!"