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Deutsche Rundschau.
Er segnet die guten Kinder und setzt die. Stände des Königs, Grasen, Ritters, Edelmanns, Bürgers ein; die schlimmen aber, die Eva aus falscher Hoffnung nun hervorholt, reden in der Katechisation verkehrt und heillos drein und werden bestellt zu Landsknechten, Bauern, Holzhackern, Schergen, Kärrnern, nicht zu vergessen — den Schuster. Für dies Spiel, besonders in seiner kürzeren und einheitlicheren Gestalt, geben Wir ein Schock Hanssachsischer Trauerspiele hin; wie die gar nicht genug zu preisenden Legenden mit ihrer kerngesunden Moral, die den Herrn so ganz als den klugen, praktischen Lehrer zeigen und den Glatzkopf Petri mit einem ehrerbietigen Humor umspielen, alle gereimten Psalter und Evangelia aufwiegen.
Hans Sachs hat die Landschaft in allen Tages- und Jahreszeiten liebevoll beobachtet und erliegt keiner lahmen, bloß aufzählenden Beschreibung, sondern macht, selbst vom „Genius" geführt, unfern Geleitsmann bis empor ins tirolische Hochgebirge, doch lieber in und um Nürnberg, dessen Lob er, wiederum Bewegung und Handlung statt der Schilderet ansbietend, in volleren Tönen verkündet, als der König der neulateinischen Poeten und Zecher Eobanus Heffus, der schnöde herabsieht aus den nebenbuhlenden Schuster. Dieselbe Bewegung und dieselbe Vertrautheit mit der Natur, wenn es auch in größeren, mehr didaktischen Stücken nicht ohne zoologische Naivetäten abgeht, zeigt Hans Sachs in seinen nicht mit äsopischer Knappheit, vielmehr behaglich breit vorgetragenen Thierfabeln: wie behend weiß er die Affen agiren zu lassen, wie charakteristisch stimmt er den sanften Ton des Schafes gegen den frechen des Wolfes ab. Auch seine allegorischen Figuren bieten, obwohl natürlich die vielen „engelisch geliedmasierten" Frauen einander sehr ähnlich sehen, eine Fülle seiner und grotesker Züge. Schadet der „Melancholia" der unabweisbare Gedanke an Dürer, so betrachte man den Baldanders, den Heinz Widerporst, den guten (blauen) Montag, die Fastnacht, das „greulich Thier, den Eigennutz", den Epicurus als Verkörperung des Materialismus, der sich einen Kranichhals wünscht, um recht lang zu schmecken, ein Maul wie ein Stadelthor, Elephantenzähne und einen Bauch gleich einer Bierkufe. Unser Dichter weiß, welche Neckereien unter den verschiedenen Handwerken und deutschen Stämmen umlausen, und verwendet, allerlei Zustände zu streifen, auch das hübsche, noch heute in der Schule beliebte Motiv, daß ein Gulden seine Wanderschaft erzählt; oder er, der Schuster, will eines Morgens etwas übernächtig den Gesellen Leder zuschneiden, als die alte Roßhaut zu reden anhebt und ein Pferdeleben in aus- und absteigender Linie erzählt, mit der Bitte zum Schluß, der Meister möge aus ihr Frauenschuhe, keine Bauernstiefel machen. Hans Sachs hat seine Lust an Eulenspiegeleien, ohne die unsläthige Tücke des niedersächsischen Gesellen, an kecken Streichen fahrender Schüler, am unverwüstlichen Treiben der srummen Landsknechte bis hin zum höllischen Wirths- haus, an Lügenmärlein, in denen die spielende Phantasie aller Völker sich so gern ergeht. Da ist der „Sturm des vollen Bergs", wo die Basteien aus Hirsbrei, die Gräben aus Sülze, die Thürme aus Würsten sind, wo die Kannen der Weinschwelge als Geschosse, Schweinebraten als Hellebarden dienen, wo ein Kämpfer mit einem Schwartenmagen erstochen wird: „Und wer Lust