Hans Sachs.
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hat rnit ihnen zu kriegen, der füg' sich ins Schlauraffenland", in das Paradies der Schlemmer und Bummler, das nun am krönenden Schluffe des ersten Folianten so ausgelassen und zugleich mit einer so ungesuchten Tendenz gegen die Faulheit geschildert wird, daß diesem berühmten Gedicht der Preis gebührt unter allen Verherrlichungen des Wunschlandes, da Milch und Honig fleußt und die Trägheit königlichen Lohn erntet. Gewiß hat auch Hans Sachs als kräftiger Sohn einer Zeit, in der selbst „das ohrenzart Frauenzimmer", mit Fischart zu reden, sehr robuste Späße vertrug, manchen Schwank recht stark gewürzt; nie jedoch verfällt er dem zotigen Chnismus oder der schmutzigen Witzelei wie seine Vorgänger und manche unsaubern Talente des 16. Jahrhunderts.
So hat das ältere Nürnberger Fastnachtspiel, das in den Wirthshäusern umlief, die übliche Schlußbitte gar nöthig, das Publicum möge ein Auge zudrücken, wenn man zu „grob gespunnen". Eine reinere Luft umsängt uns auf dem Schauplatze des Hans Sachs. Wohl verschmäht er eine Menge hergebrachter Motive und typischer Figuren nicht, wenn er unerschöpflich, nach raschem Anlauf aus halbschürigen Gesprächen heraus dringend und früh des Allerbesten fähig, seine Ehepaare und Nachbarn, Mägde, Vetteln, Pfaffen ihre Händel abwickeln läßt; aber er reinigt das übelriechende Erbe, bereichert es mit lebensfrischer Beobachtung und sprudelnder Laune, bringt neue Bewegung in die Handlung und das Spiel und erweitert durch glückliche Anleihen bei deutschen Facetisten und ausländischen Erzählern das Reich der Fastnachtmuse bedeutend. Besonders gern ging er bei Boccaccio zu Gaste, und wenn ihm die stilistische Feinheit des Florentiners fern bleiben mußte, so war es ein guter Griff, daß er den Tölpel Calandrino aus der wälschen Stadt in ein deutsches Dorf verpflanzte. Wohl erscheinen auch bei ihm die Bauern meist als grobe Knollen und dumme Dildappen, Wohl meint auch er: wenn man einen Bauer in den Sack stecke, so gucke immer ein Paar Stiefel verrätherisch heraus; aber nach dem unsäglichen Schmutz seiner Vorfahren kann er fast als Retter der Landleute gelten, deren gesundes und zufriedenes Leben der Dörper des 15. Fastnachtspiels „in sumpa sumparum" gegen Edelmann und Bürger rühmt. Hans Sachs hat mannigfach seine ehrenfeste, nirgend pedantische und grämliche Ethik schwankweis vorgetragen; wie lebendig im Einzelnen und wie findig im summarischen Abschluß muthet uns sein „Narrenschneiden" an, verglichen mit der mürrischen Musterung des Brant'schen „Narrenschiffs"! Wir begreifen den großen Erfolg einer von Goethe 1777 veranstalteten Aufführung, von der noch heute die drolligen Wachsfiguren auf der großherzoglichen Bibliothek zeugen. Hans Sachs ist darin sowohl alterthümlicher als milder denn Luther, daß er Narren mit dem Kolben striegelte, wo dieser seine ungestüme Beredsamkeit des Zorns gegen höllische Laster erdröhnen ließ. So hat Hans Sachs keinen steten mörderlichen Krieg Wider den „alt bösen Feind" zu führen, sondern nimmt lieber den dummen deutschen Teufel von der komischen Seite. Er macht uns nicht erbeben, sondern lachen, wenn — im Zeitalter Faust's! — Lei ihm ein Kaufmann mit dem Satan einen Blutvertrag aus zehn Jahre geschlossen hat und, als die Zeit des Pactes erfüllt ist, dem Rath eines „Amice"