Heft 
(1894) 81
Seite
246
Einzelbild herunterladen

246

Deutsche Rundschau.

liefen sich in demselben Jahre auf 2123 000 Taels an Zoll und 5 667 000 Taels an Likin, d. h. gemeinsam auf 7 790000 Taels, die trotz des niedrigen Silbercurses immer noch über 30 Millionen Mark darstellen.

Den Gebrauch, den die Chinesen vom Opiumrauchen machen, ist ein viel­facher und erklärt bis zu einem gewissen Grade die schnelle Verbreitung, die es gesunden hat und noch findet. Es dient als Genußmittel und Aphro- disiacum, als Stimulans, als Schutzmittel und als Medicin. Als Letztere hauptsächlich gegen Lungenleiden und damit verbundene Blutungen, als Pro- phylacticum gegen Fieber und Dysenterie in Gegenden, in welchen Malaria herrscht. Dies kann kaum Wunder nehmen, da dieselben Ursachen z. B. in England große Theile der Fabrikbevölkerung dazu geführt haben, sich dem Genuß von Opium in flüssigen Lösungen zu ergeben. Als geistiges Stimulans wird es von Gelehrten, Beamten und Kaufleuten, als körperliches von der hart arbeitenden Bootbevölkerung besonders auf dem oberen Laufe des Pangtsze, von den Schiffsziehern, Lastträgern und einem großen Theile der Land­bevölkerung, von der letzteren hauptsächlich in Szechuen gebraucht, als Genuß­mittel von vielen Personen beiderlei Geschlechts der wohlhabenderen Classen, von Beamten und Soldaten und der großen Masse der Nichtsnutze und Tage­diebe, die sich in jedem Lande und unter jedem Volke finden; für diese dient es auch als Aphrodisiacum, und aus ihnen stammen gewöhnlich die ab­schreckenden Beispiele körperlicher und geistiger Verkommenheit, die dem in China eintreffenden Fremden in den Opiumhöhlen gezeigt werden. Daß Opium immer schädlich wirkt oder wirken kann, soll unbestritten bleiben; aber find wir nicht auch dahin gekommen, den Alkohol als Völkergift zu bezeichnen und die absolute Schädlichkeit desselben zu behaupten? Und ebenso wenig wie aus lange hinaus die Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß die an alkoholische Ge­tränke gewöhnten Völker denselben, andere dem Tabak, der Coca, dem Haschisch, dem Betel oder dem Mate entsagen werden, ebenso wenig wird der Chinese dem Opiumrauchen entsagen, es sei denn, daß der Genuß und die Stärkung, die ihm dadurch geboten, auf andere Weise ersetzt oder überflüssig gemacht werden. Letzteres aber dürste wie beim Alkohol für die große Masse der Be­völkerung nur dann möglich sein, wenn die Nahrung derselben kräftiger würde. Daran ist aber in China für den Augenblick und voraussichtlich noch auf lange hinaus nicht zu denken, da die Bevölkerung selbst zu arm ist und bei der Regierung das Verständniß dafür fehlt.

lieber die Schädlichkeit des Opiumrauchens ist viel gestritten worden- jedenfalls ist diese .Art des Genusses eine viel weniger schädliche als das Essen oder Trinken von Opium oder die Einspritzungen von Morphium. Beim Rauchen, namentlich der besseren indischen Sorten, gehen nur wenige der schäd­lichen Bestandtheile, welche das Opium enthält, in den Körper über, und Jeder, der längere Zeit in China gelebt hat, wird unter Bekannten und Dienern Leute gekannt haben, die zehn, zwanzig und mehr Jahre starke Opiumraucher gewesen waren, ohne daß ihre geistigen oder körperlichen Kräfte darunter ge­litten hätten. Jedenfalls ist das Opium nicht die Ursache so vieler Verbrechen wie der Alkohol; der Raucher Wird vielleicht stehlen oder betrügen, um sich das