Heft 
(1894) 81
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Ostasiatische Probleme.

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die Missionare; der alte ehrwürdige, vom Schlage gerührte Schall und sein Stellvertreter Verbiest wurden mit den anderen Missionaren zusammen ins Gefängniß geworfen, der Erstere zum Tode, der Letztere zur Verbannung ver- urtheilt, und es war nur einem heftigen, nach der Verurtheilung Schall's stattgehabten Erdbeben zu verdanken, daß das gegen ihn ausgesprochene llrtheil nicht zur Ausführung kam. Nach der llebernahme der Regierung durch den Kaiser besserte sich die Lage der Missionare, besonders da in dem Reichskalender durch die Unfähigkeit der chinesischen Astronomen vorgekommene Fehler nur durch die Europäer richtig gestellt werden konnten. Im Jahre 1671 wurde das Ver- bannungsdecret gegen die Missionare zurückgenommen, was Wohl hauptsächlich aus das persönliche Wohlwollen des Kaisers zurückgeführt werden dürfte, der sich lebhaft für europäische Wissenschaft, namentlich Mathematik, interessirte und es liebte, sich mit den Missionaren darüber zu unterhalten. Die Er­hebung Wu-sankwei's in Wnnan und Szechnen gegen die Mandschus 1673 gab Verbiest eine neue Gelegenheit, sich dem Kaiser nützlich zu erweisen, indem er aus den Wunsch desselben eine Anzahl Geschütze goß, die wesentlich zur Unter­drückung des Ausstandes beitrugen. Die Stellung der Missionare in Peking wurde dadurch so einflußreich, daß, als die Provinzialbehörden von Chekiang 1691 die in der Provinz ansässigen fremden Geistlichen und eingeborenen Christen zu verfolgen begannen, der Kaiser 1692 auf ihre Bitte ein Edict erließ, durch das die Duldung des christlichen Glaubens aufs Neue bestätigt wurde. Inzwischen begann bei den Missionsbestrebungen das politische Element stärker in den Vordergrund zu treten. Durch päpstliche Entscheidung war das geist­liche Patronat in Indien, zu dem auch China gerechnet wurde, der Krone Portugal übertragen worden. Mit der steigenden Macht und dem wachsenden Ehrgeize Frankreichs schien dieses Portugal ertheilte Monopol unvereinbar, und bald fingen französische Geistliche, vor Allem der Pater Alexander de Rhodes aus Avignon, und der französische Hof an, in Rom gegen dasselbe zu intri- guiren. Der Herzogin von Aiguillon gelang es, bei dem Papst Alexander III. die Ernennung von drei französischen Bischöfen, Pallu, de la Motte Lambert und Cotolendi, dnrchzusetzen, die nach Siam, Tongking und China entsendet werden sollten. Aber kein portugiesisches, holländisches oder englisches Schiff wollte sich bereit finden lassen, den Bischof Pallu nach Ostasien zu befördern, was zu dem Vorschläge der Errichtung einer französischen Handelsgesellschaft nach dort und bald zu der Gründung derOompagnis des Indes" führte. Um die erforderlichen Geistlichen für die in Aussicht genommenen französischen Missionen zu beschaffen, wurden 1663 die .Mssions etrangeres" in Paris gegründet (der Grundstein der Kirche derselben wurde 1683 gelegt), und 1685 gingen auf Colbert's Veranlassung und Betreiben eine Anzahl hochwissen­schaftlich gebildeter Missionare nach Peking, um den auf den Kaiser gewon­nenen Einfluß weiter auszudehnen und zu befestigen, ein Plan, der anscheinend vollkommen gelang.

Schon aber sammelten sich die Wolken, aus denen der Sturm kommen sollte, der dem blühenden Bekehrungswerke ein schnelles Ende bereitete. Selbst unter den Jesuiten waren die Auffassungen über den Gott zu gebenden chine-