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Deutsche Rundschau.
fischen Namen und die Zulässigkeit mancher Ceremonien, namentlich bei der Verehrung von Consucius und den Ahnen, getheilt, wenn auch die Meisten Ricci zustimmten, welcher denselben keine abergläubische und götzendienerische Bedeutung beigelegt hatte. Anders dagegen urtheilten die zelotischeren Dominikaner, denen sich später die Lazaristen und die ,M88ion8 6tran»6r68" anschlossen, die alle die weitherzige Auffassung der Jesuiten als unchristlich verdammten. Der Papst wurde zur Entscheidung der Streitfrage angerufen; Jnnocenz X. erklärte sich 1645 für die Dominikaner, Alexander VII. 1656 für die Jesuiten und Jnnocenz XI. gewissermaßen auch für die letzteren, indem er die Zulässigkeit der angefochtenen Ceremonien zugestand, wo sie nur als bürgerliche, nicht als götzendienerische angesehen würden. Da die Anordnungen des päpstlichen Stuhles keine der beiden Parteien befriedigten, ging der Streit zwischen den Missionaren weiter, und Bischof Maigrot, ein Mitglied der „UiWiou8 6tranF6r68" und Doctor der Sorbonne, der 1684 von Pallu vor seinem Tode mit der Leitung des ganzen Missionswesens in China betraut worden war, erklärte sich 1693, im Widerspruche mit der päpstlichen Entscheidung, in einer von Nanking datirten Verordnung gegen die Jesuiten, deren Vorstellungen an den päpstlichen Stuhl er als in verschiedenen Punkten nicht der Wahrheit entsprechend bezeichnet^ Die Jesuiten weigerten sich, die Entscheidung anzuerkennen, und wendeten sich 1699 an den Kaiser Kanghi selbst, um von ihm eine autorative Erklärung über die Bedeutung der angegriffenen Ceremonien zu erhalten, die denn auch ganz in ihrem Sinne ausfiel. — Inzwischen hatte man in Rom die Sache weiter verfolgt, ein Legat des Papstes, Tournon, Patriarch von Antiochien, wurde nach Peking gesandt, um an Ort und Stelle die Jesuiten zu einer Verständigung zu veranlassen, Während die Congregation der Inquisition mit der Untersuchung der Frage beauftragt wurde. Die Inquisition entschied gegen die Jesuiten, und Papst Clemens XI. bestätigte am 20. November 1704 diese Entscheidung. Tournon, dem das päpstliche Decret in Peking zuging, wagte nicht, dasselbe dort zu veröffentlichen; denn er war sich bewußt, daß dadurch ein unheilbarer Bruch mit dem Kaiser herbeigeführt werden würde, schon deshalb, weil die Bezeichnung „Himmel" „Visu" als Synonym für Gott nicht zugestanden worden war, während sich z. B. über der Kirche der Jesuiten in Peking eine von Kanghi selbst gestiftete Marmortafel mit den Worten befand: ,,Xiug twn«: „Betet den Himmel an."
Tournon schlug einen Mittelweg ein; er berief Maigrot nach Peking, ebenso wie den Jesuiten de Visdelou, von dem er wußte, daß er die Ansichten seiner Mitbrüder nicht theilte, um durch mündliche Erörterung der Streitfrage die Jesuiten zur Unterwerfung unter die päpstliche Entscheidung zu vermögen. Das päpstliche Decret konnte aber auch unter den chinesischen Christen nicht unbekannt bleiben und kam so zur Kenntniß des Kaisers. Dieser brachte die Frage in öffentlicher und feierlicher Audienz Tournon gegenüber zur Sprache, der seinerseits Maigrot vorschob und den Kaiser veranlagte, denselben sowohl zu empfangen, als zu einer schriftlichen Erklärung auszusordern. Der Zusatz, den Maigrot seiner Auseinandersetzung hinzufügte, daß er den Kaiser