Heft 
(1894) 81
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Ostasiatische Probleme.

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nicht als Richter in einer Angelegenheit anerkennen könne, die ausschließlich zur Kompetenz des heiligen Stuhls gehöre, beschleunigte den Bruch. Mai- grot wurde aus China verbannt und Tournon ausgesordert, seine Abreise zu beeilen. Der Erstere konnte sich nicht einmal in Macao einschiffen, sondern mußte sich an Bord eines englischen Schiffes flüchten, das ihn nach Irland brachte; der Letztere ging nach Nanking, und da er noch immer, um den Bruch Zwischen dem Kaiser und dem päpstlichen Stuhle nicht unheilbar zu machen, das päpstliche Decret nicht veröffentlichen wollte, faßte er die Bestimmungen desselben in einer Verordnung zusammen, die er in seinem Namen allen Missionaren zugehen ließ. Einzelne derselben reichten gegen diese Verordnung eine Berufung an den Papst ein, der dieselbe aber 1710 guthieß und be­stätigte und die Generale der verschiedenen Orden anweisen ließ, sich ihr zu unterwerfen, was der der Jesuiten, der einzige, der wirklich in Frage kam, auch in unzweideutiger Weise that. Sobald Kanghi von dem Schritte Tournon's Kenntniß erhielt, ließ er denselben verhaften und nach Macao führen, wo den Portugiesen der Befehl zuging, ihn ins Gefängniß zu Wersen, eine Weisung, der sie sich beeilten nachzukommen; Tournon starb dort 1710 als Gefangener. Alle Missionare aber, die sich nicht verpflichten wollten, sich der Entscheidung des Kaisers zu unterwerfen, wurden des Landes verwiesen.

Clemens XI., um dem noch immer nicht gebrochenen Widerstande der in China ansässigen Jesuiten und dem Aergerniß, das durch die verschiedenen Streitschriften gegeben wurde, ein Ende zu machen, erließ endlich 1718 die BullebX illa äisJ welche Jeden, ipso tüeto, mit der größeren Excommuni- cation bedrohte, der sich den Bestimmungen der päpstlichen Constitution von 1704 nicht füge; zugleich entsendete er einen neuen päpstlichen Legaten, den Patriarchen von Alexandrien, Mezzabarba, nach China, dieses Mal aber über Lissabon, um alle Streitigkeiten mit Portugal zu vermeiden. Bei seiner An­kunft in Peking 1720 fand Mezzabarba, trotz der anscheinend vollständigen Unterwerfung der Jesuiten unter den Willen des Papstes, die Lage schwieriger, als er erwartet und selbst gefürchtet hatte. Der Kaiser ließ ihm gleich bei seiner Ankunft in China sagen, daß er die früheren Missionare in China lassen möge, denen, aber nicht den Chinesen, sreigestellt sei, die Decrete des Papstes zu befolgen; alle anderen Europäer solle er mit sich nach Rom nehmen, wo er ihnen befehlen könne, Was er wolle. Das sei die einzige Form, in der der Kaiser einer Verordnung zu gehorchen gestatte, die im Widerspruch mit seinen unwiderruflichen Edicten stehe.

Um nicht den, wie die Jesuiten erklärten, sonst unvermeidlichen sofortigen Ruin der Mission zu verursachen, entschloß sich Mezzabarba dazu, der Bulle des Papstes acht Klauseln hinzuzusügen, deren Inhalt sich dahin zusammenfassen läßt, daß die Ausübung aller der vielumstrittenen Gebräuche gestattet sein sollte, soweit sie als rein bürgerliche aufgefaßt würden. Aber auch diese Nachgiebigkeit vermochte nicht, den Kaiser günstiger zu stimmen; Mezzabarba erhielt in höflicher, aber bestimmter Weise den Befehl, China zu verlassen und die Missionare, die ihn begleitet hatten, mit sortzunehmen. In Rom War man um so unzufriedener mit dem Verhalten des Legaten, als man, und