Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

reichten geendet, daß auch nicht die geringsten Spuren übrig geblieben sind. Bei der Vorliebe der Chinesen sür historische Analogieen darf man sich daher nicht Wundern, wenn wenigstens die Möglichkeit eines derartigen Erfolges auch jetzt der fremden- und christenseindlichen Partei als ein erreichbares Ziel vorschwebt. Daß die Vernichtung der christlichen Missionen im vierzehnten Jahrhundert mit der Vertreibung einer fremden, der mongolischen Dynastie, znsammensiel, läßt es verständlich erscheinen, daß bei den angeblich politische Zwecke verfolgenden geheimen Gesellschaften die Aufreizungen gegen die regierende fremde, mandschurische Dynastie mit denen gegen die Christen und Fremden überhaupt Hand in Hand gehen. Die Regierung ist sich der Möglich­keit eines solchen Zusammenhanges Wohl bewußt, und sie hat dieselbe bei den Verhandlungen mit den Vertragsmächten, welche durch die 1891 im Pangtsze- thale gegen die christlichen Missionen gerichteten Angriffe nothwendig wurden, diplomatisch zu verwerthen gewußt, um Aufschiebe und Rücksichten zu erlangen, auf die sie sonst keinen Anspruch gehabt haben würde.

Die Anschuldigungen, welche gegen die christlichen Missionen, die Missio­nare und Konvertiten erhoben werden, zerfallen in vier Classen: sie sind aber­gläubischer, religiöser, socialer und politischer Art. Was die ersten derselben anbetrifft, so wird den Missionaren vorgeworfen, daß sie die Augen und andere Körpertheile Kranker und Todter zu Zaubermitteln, z. B. um Gold zu machen, und zum Photographiren, gebrauchen. Die Beschuldigung ist keine neue, sie ist schon vor Jahrhunderten erhoben worden und findet sich auch später u. A. in den Berichten Kiying's an den Kaiser Taokwang und in den Edicten des letzteren aus der Mitte der vierziger Jahre dieses Jahrhunderts, sowie in amt­lichen Schriftstücken aus der neuesten Zeit. Später, berichtet Kiying 1844, machten Chinesen, die die christliche Religion ausübten, sie zum Deckmantel ihrer Schändlichkeiten,indem sie Frauen und Töchter (Anderer) verführen und in betrügerischer Weise die Pupillen aus den Augen der Kranken stehlen"; und in den Berichten des Taotai von Wuhu aus dem Jahre 1891 wird aus­drücklich erwähnt, daß diese Beschuldigung gegen die Missionare erhoben worden sei, und er bei einer Untersuchung der Gewölbe der Kirche in der­selben einige Leichen gefunden habe, die ihrer Augen beraubt gewesen wären. Bei den auf die Abberufung und Bestrafung dieses Beamten bezüglichen Ver­handlungen mit den Ministern des Tsungli Pamen konnte man sich des Ein­drucks nicht erwehren, daß wenigstens einige dieser Herren durchaus nicht von der Grundlosigkeit der Beschuldigungen des Taotai's überzeugt waren. Zu derselben Kategorie gehören die gegen die katholischen und protestantischen Waisenhäuser und Hospitäler erhobenen Anklagen, daß sie Kinder zu solchen Zwecken aufkausen ließen oder Kranke zu denselben mißbrauchten. Die un­vorsichtige Zahlung von Belohnungen Seitens der Waisenhäuser an Leute, welche ihnen Kinder überbringen, hat nicht wenig dazu beigetragen, solche Gerüchte zu verbreiten; aber z. B. selbst in dem Hospital derLoeurs äs 1a Clmrits äs 8t. Vineent äs ?au1" beim Nantang in Peking, wo die Chinesen den Schwestern willig die Sorge und die Kosten sür die Pflege und die Be­erdigung der Kranken überlassen, besuchen Leute nie ihre verstorbenen, schon