Heft 
(1894) 81
Seite
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Ostasiatische Probleme.

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Antheil erhebt, den er früher an dem gemeinsamen, untheilbaren Besitz hatte, und der nun, wenn sein Verlangen erfüllt würde, aus demselben, zum Schaden der Allgemeinheit, ausgeschieden werden müßte. Tritt dann der Missionar aus die Seite seines Bekehrten und unterstützt die Forderung desselben bei den Behörden, so ist der Streitfall fertig, und nicht wenige der Angriffe auf christliche Chinesen, Gemeinden und Missionen sind aus solche Ursachen zurückzu- führen.

Die chinesische Regierung hat wiederholt versucht, die Aufmerksamkeit der fremden Mächte aus die sich aus der Thätigkeit der Missionare ergebenden Mißstände zu lenken, und auch Vorschläge in Betreff der Vermeidung derselben gemacht; so 1871, in welchem Jahre sie den fremden Vertretern acht von einer Note begleitete und eingeleitete Artikel vorlegte, ein Schritt, der erfolglos geblieben ist, wie es nicht anders der Fall sein konnte, da die Zeit, ein Jahr nach dem sogenannten Massacre von Tientsin und nach den französischen Niederlagen in Europa, nicht schlechter gewählt sein konnte, und das Ganze ausschließlich gegen die katholischen Missionare gerichtet war, wie es auch sonst in der Begründung der einzelnen Vorschläge viel Falsches und Ungeschicktes enthielt. Trotzdem läßt sich den in den acht Artikeln enthaltenen Beschwerden der chinesischen Regierung nicht jede Berechtigung absprechen, und sie verdienen um so mehr eine eingehende Erwähnung, als die Behörden mit der ihnen eigenen Zähigkeit wiederholt und zuletzt 1891 auf dieselben zurückgekommen sind. Sie lauten:

1. Waisenhäuser sollen entweder gar nicht oder nur für die Kinder von Christen und dann nicht ohne obrigkeitliche Genehmigung und Aufsicht eingerichtet werden.

2. Frauen soll der Zutritt zu den Kirchen nicht länger gestattet und den barmherzigen Schwestern nicht erlaubt werden, in China das Christenthum zu lehren.

3. Die in China lebenden Missionare sollen den Gesetzen und Gebräuchen des Landes Nach­kommen.

4. Fremde und Chinesen sollen bei Begehung von Verbrechen jeder nach den Gesetzen seines Landes bestraft werden, aber es soll den Fremden nicht gestattet sein, außer der Bestrafung des Schuldigen auch noch eine Entschädigung zu verlangen.

5. Die Pässe, welche den französischen Missionaren ertheilt werden, sollen den Platz ihres künftigen Aufenthaltsortes und den Weg dorthin genau angeben, und es soll den Missionaren nicht gestattet sein, sich nach einem anderen Platze zu begeben.

6. Niemand soll als Christ ausgenommen werden, ohne daß man sich vergewissert hat, daß er kein Ilebelthüter sei.

7. Missionare sollen sich keine amtlichen Vorrechte anmaßen.

8. Missionare sollen nicht Grundstücke für die Kirche erwerben, ohne vorher den Behörden von ihrer Absicht Kenntniß gegeben und sich versichert Zu haben, daß keine Einwendungen da­gegen bestehen; ebenso sollen sie nicht früher angeblich der Kirche gehörige Grundstücke ohne Weiteres zurückfordern.

Es ist klar, daß einzelne der vorstehenden Vorschläge unannehmbar sind; andere dagegen enthalten den Keim ausführbarer und wünschenswerther Reformen; so namentlich die in Betreff der Reisen und des Aufenthalts der Missionare im Innern, der Waisenhäuser und Anderes. Die Schwierigkeit liegt aber für den Augenblick viel weniger in den Punkten, über die die Regierungen von China und der Vertragsmächte sich verständigen könnten, als in der Möglichkeit, das Ergebniß einer solchen Verständigung praktisch ins