Heft 
(1894) 81
Seite
264
Einzelbild herunterladen

264

Deutsche Rundschau.

Werk zu setzen. Für die katholischen Missionare würde sich dies leichter machen lassen, unter der Bedingung, daß die Verständigung aus Verhand­lungen zwischen China und dem Vatican hervorginge. Daß dies unter dem französischen Protectorat nicht möglich, ist ein weiterer Beweis sür die Nach­theile, die den Interessen der Kirche aus demselben erwachsen. Die Zukunft der katholischen Missionare hängt davon ab, daß die Curie sich darüber nicht täusche und rechtzeitig die Mittel ergreife, in directe Beziehungen zu China zu treten.

Für die protestantischen Missionare muß die Revision der bis setzt gelten­den Grundsätze durch die Regierungen erfolgen; man würde sich aber sehr irren, wenn man annehmen wollte, daß dies eine leichte Ausgabe sei- Abgesehen von der Anzahl von Personen, die auf eigene Hand das Bekehrungswerk treiben, besitzen die größeren Missionsgesellschaften in England wie in den Vereinigten Staaten einen so bedeutenden politischen Einfluß, daß die Regierungen der beiden Länder um so weniger Lust haben werden, sich aus eine solche Frage einzulassen, als sie sicher sein können, aus sehr wenig Entgegenkommen zu stoßen. Mr. Curzon führt in seinem genannten Werke die Aeußerung eines hohen Geistlichen der englischen Kirche an, der in Exeter-Hall mit Bezug auf einige, von dem Verfasser in derTimes" gemachte Bemerkungen über christ­liche Missionen in China sich dahin ausgelassen hatte, daß der Gewinn oder Verlust, der der Civilisation aus christlichen Missionen erwachse, keine Frage der Missionare sei. Der Missionar sei der Unterthan eines Herrn, der höher sei als alle Staatsmänner und Diplomaten der Welt. Nicht der Missionar habe mit dem Diplomaten, sondern der Diplomat mit dem Missionar zu rechnen! Aehnlicher Ueberhebung und Mangel an Verständniß für tatsächliche Zustände wird man oft in England und den Vereinigten Staaten begegnen, und die Befürchtung liegt daher nahe, daß die an der Frage interessirten Regierungen es vorziehen werden, die Sache gehen zu lassen, wie sie geht, statt zu Hause in ein clericales Wespennest zu greisen. Die Missionare und die fremden Regierungen werden sich dann aber auch kaum Wundern dürfen, wenn die Angriffe aus Missionen und eingeborene Christen in immer verstärktem Maße wiederkehren, und die chinesische Regierung sich wenig geneigt zeigt, dieselben zu verhindern oder zu bestrafen; denn wenn die Regierungen der Vertragsmächte das Recht haben, zu verlangen, daß China die in den Verträgen übernommenen Verpflichtungen erfülle, so darf China beanspruchen, daß die anderen contrahirenden Parteien, die die Missionare seiner Gerichtsbarkeit entziehen und für dieselben trotzdem das Recht fordern, sich in Gegenden zu begeben, wo auch die fremde Gerichtsbarkeit nicht ansgeübt werden kann, ihrer zum mindesten moralischen Pflicht Nachkommen und dafür einen Ersatz schassen. Einen anderen Ausweg als den mit der chinesischen Regierung gemeinschaftlich Bestimmungen zu erlassen, deren Befolgung die Vorbedingung der Ertheilung von Pässen sür das Inland an Missionare sein muß, gibt es aus diesem Dilemma nicht; denn den aus Missionarkreisen gemachten Vor­schlag, dem Schutze der fremden Mächte zu entsagen und sich den chinesischen Behörden zu unterstellen, kann Niemand ernst nehmen, der die Verhältnisse