Heft 
(1894) 81
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Ostasiatische Probleme.

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kennt. Das chinesische Strafgesetzbuch enthält eine Reihe von Bestimmungen, deren Anwendung auf sich ein Missionar kaum für zulässig erachten dürste. Wer ohne obrigkeitliche Erlaubniß ein religiöses Haus gründet, unterhält oder beschenkt, erhält hundert Schläge und wird, wenn er ein Priester ist, seines geistlichen Charakters entkleidet und für Lebenszeit nach jenseits der Grenzen verbannt; handelt es sich um eine Nonne, so wird sie zur Sclaverei im Regierungsdienst verurtheilt; alles Eigenthum, das der Stiftung zugewendet worden, wird eingezogen. Wer ohne die Erlaubniß der Regierung Priester wird, erhält achtzig Hiebe und wird in den weltlichen Stand zurückversetzt; die Mitglieder und Vorsteher der klösterlichen Gemeinden, die Personen in gesetzwidriger Weise aufnehmen, verfallen der gleichen Strafe. Der erwähnte Vorschlag könnte also nur den Sinn haben, sich der Aufsicht der eigenen Regierung zu entziehen und der der chinesischen nicht unterwerfen zu wollen, was keiner der beiden Regierungen und schließlich, im Augenblick der Gefahr, auch dem Missionar nicht Zusagen dürste.

IV.

Brennender aber noch als die Missionarfrage und von größerer Wichtig­keit für die Vertragsmächte als für China selbst ist die weitere Entwicklung der politischen Lage in Ostasien. Während das große, unbehülfliche und unosfensive China sich, seit es in diesem Jahrhundert in nähere Beziehungen zu dem Auslande getreten ist, aus den vergeblichen Versuch der Abwehr von Zumuthungen beschränkt hat, die mit dem, was es für sein Interesse und sein Recht hielt, im Widerspruch standen, repräsentirt Japan in Ostasien das aggressive Element, dem auch die augenblicklichen Verwicklungen mit China allein Schuld zu geben sind. Zweimal innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat die japanische Politik China gegenüber Wege eingeschlagen, die bei einem weniger schwerfälligen und friedfertigen Gegner zu ernsthaften Verwicklungen hätten führen müssen. Liu-kiu und japanische Dschunken waren an der Südspitze von Formosa gescheitert und die Bemannung von den dort wohnen­den wilden Ureinwohnern der Insel ermordet worden. Mit charakteristischer Ungeschicklichkeit lehnte China die Verantwortung für diese Vorfälle ab, was Veranlassung zu der 1874 unternommenen japanischen Expedition nach Süd- sormosa gab. Sie wurde durch ein Abkommen zwischen den beiden Mächten beendigt, in welchem China die Handlungsweise Japans als durch den seinen Unterthanen zu gewährenden Schutz berechtigt anerkannte, 100000 Taels Ent­schädigung für die Familien der ermordeten Seeleute und 400 000 Taels für die von den Japanern in Südsormosa ausgeführten Wege und sonstigen Bauten zahlte und versprach, in Zukunft dafür Sorge zu tragen, daß die Schiffahrt nicht von den Wilden zu leiden habe.

Wenn die von einem Lobredner Japans (Grisfith) gemachten Angaben richtig sind, daß die Expedition nach Formosa den Japanern fünf Millionen Dollars und siebenhundert an Krankheiten gestorbene Soldaten gekostet habe, so ist nur zu bedauern, daß die japanischen Staatsmänner die darin liegende Lehre nicht besser zu benutzen verstanden haben.