Ostasiatische Probleme.
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Fall zu sein pflegt, wird die Schuld daran dem Manne zugeschoben, der allein von allen chinesischen Staatsmännern die Gefahr erkannt und etwas zur Abwehr derselben gethan hat. Der Generalgouverneur von Chili, Li Hung Chang, ist der einzige von allen Beamten gewesen, der trotz des Widerstandes, den er bei der altchinesischen conservativen Partei, und der geringen Unterstützung, die er überhaupt in Peking fand, eine Armee und eine Flotte geschaffen hat, die allenfalls den Anforderungen der neueren Kriegskunst entsprechen können. Hätten die Generalgouverneure und Gouverneure der anderen achtzehn Provinzen, der Mandschurei und der Mongolei in gleicher Weise ihre Pflicht gethan, so würde China heute über eine Flotte und eine Armee gebieten, die es nicht allein Japan weit überlegen machen, sondern deren bloßeK Vorhandensein genügt haben würde, den unruhigen' Nachbar von dem Angriff aus Korea abzuhalten. Daß dies nicht geschehen, liegt aber hauptsächlich an der Unwissenheit und der Ueberheoung der maßgebenden Persönlichkeiten in Peking, und zwar weniger an dem Hose und den Mandschus, als an den Chinesen, die sich von der Ueberzeugung der Unübertrefflichkeit der alt überkommenen Einrichtungen noch nicht haben frei machen können. Selbst die Mißerfolge in dem Conflict mit Frankreich 1883—85 haben diese Leute nicht eines Besseren belehrt; im Gegentheil, der einzige Eindruck, den sie gewonnen, ist, daß die chinesischen Soldaten nicht so schlecht sein könnten, wie englische und andere Berichterstatter sie darstellten, da sie ja doch die Franzosen geschlagen hätten! Diese Ueberzeugung hat nicht unwesentlich auf die Haltung der chinesischen Regierung seit 1885 eingewirkt, und die mannigfachen Enttäuschungen, die dieselbe seit dem Beginn des Krieges mit Japan erfahren hat, sind wesentlich auf Rechnung dieser Ueberschätzung der eigenen Art zurückzuführen, für die noch manche andere, oft ans Lächerliche streifende Beispiele vorhanden sind. So berichteten die chinesischen Generale aus Tonking, daß die alten chinesischen Luntenflinten, was Tragfähigkeit anbetrifft, den fremden gezogenen Hinterladern weit überlegen seien und im Tsungli Pamen wurde diesen Berichten unbedingter Glauben geschenkt, obgleich eine eingehende Untersuchung ergeben haben würde, daß die in manchen Fällen nicht abzuleugnende Thatsache auf die schlechte Qualität der von den chinesischen Arsenalen für die fremden Gewehre gelieferten Munition zurückzuführen sei.
Li Hung Chang, der in seiner Eigenschaft als Generalgouverneur den Provinz, in welcher Peking gelegen ist, für die Sicherheit der Hauptstadt, wie wegen der geographischen Lage von Chili auch für die Beziehungen mit Korea verantwortlich ist, hat die Gefahr, die in der mangelhaften militärischen Organisation lag, nie verkannt und, da seine Bemühungen, dieselbe umzugestalten, theils an den bestehenden Verhältnissen, d. h. an dem persönlichen Interesse, welches die meisten Truppen-Befehlshaber an der Erhaltung der alten Zustände hatten, theils an der Theilnahmslosigkeit und dem Mangel an Einsicht der Central-Regierung scheiterten, wenigstens verflicht, sich selbst davor zu bewahren, in die von ihm vorausgesehenen Mißerfolge verwickelt zu werden. So ist sein ganzes Bestreben während des französisch-chinesischen Conflictes darauf gerichtet gewesen, denselben im Süden zu localisiren, und so hat er der-