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Deutsche Rundschau.
sucht, das Zerwürfniß mit Japan auf das diplomatische Gebiet zu beschränken. Wenn ihm das nicht gelungen, so lag der Grund dafür in dem rücksichtslosen Verfahren der Japaner und der durch den Angriff auf den Kowshing gereizten Stimmung in Peking. Wie wenig man aber in Peking mit den Fortschritten der Kriegskunst rechnete, ergibt sich daraus, daß man dort zweimal seinen, von dem 1890 verstorbenen Generalgouverneur von Nanking, Tseng Kuo Chüan, unterstützten Antrag ablehnte, die Bestimmungen über die Prüfung der Militärmandarine den veränderten Verhältnissen anzupassen, so daß heute noch, obgleich ein großer Theil der Armee mit modernen Hinterladern bewaffnet ist, die Offiziere, die diese Truppen zu befehligen berufen sind, im Bogenschießen, im Wersen schwerer Steine und in allerhand Kunstreiterstückchen geprüft werden!
Der Krieg mit Japan wird, welches immer der Ausgang desselben sein möge, in dieser Beziehung eine Aenderung Hervorrufen. Wie der Conslict mit Frankreich die Einführung des elektrischen Telegraphen im ganzen Reiche und die Besorgniß vor Rußland den Bau der Eisenbahn nach der Mandschurei gebracht haben, so wird der Krieg mit Japan eine Anzahl strategischer Bahnen und die Reorganisation der Armee bringen. Für die letztere fehlt es nicht an Material; der Nord- und Mittelchinese, der Mandschure und der Mongole lassen an physischen und moralischen Eigenschaften für diesen Zweck wenig zu Wünschen übrig; sie sind tapfer, ausdauernd und anspruchslos und bedürfen nur guter Führung, um vortreffliche Soldaten zu werden. Auch für diese letztere dürfte Rath werden, wenn man sich in Peking entschließt, fremden Jnstructeuren nicht nur den theoretischen Unterricht, sondern auch die militärische Ausbildung der jungen Leute anzuvertrauen, bis dieselben selbst die Lehrer- und Führerrolle zu übernehmen im Stande sind. In jeder Nothlage während der letzten dreißig Jahre haben die Chinesen sich nach der Hülfe durch Fremde umgesehen, aber so wie die Stunde der Gefahr vorüber war, haben sie sich, trotz aller Anerkennung der geleisteten Dienste, beeilt, dieselben loszuwerden. Die Centralregierung überläßt alle solche Angelegenheiten den Gouverneuren und Generalgouverneuren der Provinzen, die ihrerseits die Kosten für solche Jnstructeure aus die einzelnen Truppensührer abwälzen, die theils aus diesem Grunde, theils um sich einer ihnen unangenehmen Controls zu entledigen, die Entlassung der fremden Offiziere fordern, von denen man bereits gelernt habe, was sie lehren könnten. Aus diese Weise haben die chinesische Armee und Marine ihre besten Jnstructeure eingebüßt, und hierin, wie in so manchen Punkten, wird eine durchgreifende Aenderung stattfinden müssen, wenn das Geld für die Neuorganisation der Armee nicht weggeworfen sein soll. Vor allen Dingen aber wird man sich in Peking daran gewöhnen müssen, die Geschäfte von der Hauptstadt aus zu leiten und mit der Sorge für die Reorganisation auch die Verantwortlichkeit für dieselbe zu übernehmen.
Daß einer solchen Centralisation der Geschäfte in der Hauptstadt die alte Gewohnheit, Alles den Provinzialbehörden zu überlassen, und die Gewissenlosigkeit der Beamten hindernd entgegenstehen, ist unzweifelhaft; aber einer-