Ostasiatische Probleme.
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seits Wird sich in China nach den jüngsten Erfahrungen so Manches ändern müssen, und andererseits dürste es bei der absoluten Zuverlässigkeit weiter Kreise und besonders der Regierung in Geldsragen, wenn auch schwer, so doch nicht unmöglich sein, auch in dem letzteren Punkte Besserung zu schassen. Ich selbst habe mehr als ein Beispiel von der Vertrauenswürdigkeit der chinesischen Barbaren, wie Viele sie ansehen, erlebt, das manchen civilisirten Europäer oder Amerikaner beschämen könnte. Ohne die Fälle zu erwähnen, in denen nicht Tausende, sondern Hunderttausende von Mark sür Schadenersatzforderungen aus ein nur mündliches Versprechen der Minister des Tsnngli- chamen gezahlt worden sind, möge hier eine Geschichte Platz finden, die sich erst vor einigen Jahren ereignet hat. Eine deutsche Firma hatte mit dem Gouverneur einer Provinz eine Anleihe zu Verwaltungszwecken abgeschlossen, die nach der stattgehabten Vereinbarung in bestimmter Höhe verzinst und nach einiger Zeit ratenweise zurückbezahlt werben sollte. Die erste Ratenzahlung hatte stattgesunden, als der Gouverneur starb und es sich herausstellte, daß seine Privatverhältnisse sehr zerrüttet und die Provinz ebenfalls tief verschuldet war. Vorwürfe konnten dem hochverdienten, wohlangesehenen und ehrlichen Mann nur insofern gemacht werden, als er auf Staatsgelder, die ihm später zusließen mußten, Geld ausgenommen und zu Verwaltungszwecken verwendet hatte. Die Firma wendete sich an mich, und ich ging aufs Tsungli-chamen, wo mir die Minister erklärten, daß sie von der ganzen Sache nichts wüßten, aber die erforderlichen Erkundigungen einziehen würden, von deren Eintreffen ich sofort benachrichtigt werden solle; die aus die Angelegenheit bezüglichen Papiere möchte ich ihnen inzwischen zurücklassen. Nach einigen Wochen ließen mich die Minister ersuchen, aufs Pamen zu kommen; dort theilten sie mir mit, die in Frage kommende Anleihe sei allerdings ohne Wissen und Genehmigung der Regierung abgeschlossen, die eingezogenen Erkundigungen hätten aber ergeben, daß der Betrag derselben sür amtliche Zwecke verwendet worden, sowie daß die deutsche Firma durchaus in gutem Glauben gehandelt habe. Die Regierung werde also die noch zu machenden Zahlungen leisten; die erste derselben sei in einigen Tagen fällig, und ich möchte die Firma ersuchen, der Regierung eine vierzehntägige Frist für dieselbe zu geben; alle späteren Zahlungen würden pünktlich an den festgesetzten Terminen erfolgen. Und so geschah es. — Wie viele Regierungen könnten einen Fall, der so zu ihren Gunsten spräche, aufweisen? Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Centralregierung allen Versuchungen, die ihr durch das Anerbieten ungezählter Beträge zu billigen Preisen nahegebracht wurden, nicht allein selbst widerstanden, sondern auch den Provinzialbehörden, die in dieser Beziehung leichter dachten, nach einigen üblen Erfahrungen untersagt hat, ohne ihre Genehmigung Anleihen oder Vorschußgeschäste mit Fremden abzuschließen. Der chinesische Credit steht also heute intakt da, und die finanziellen Wunden, welche der Krieg mit Japan dem Lande schlägt, werden voraussichtlich um so weniger schwer ins Gewicht fallen, als bis jetzt wenigstens Handel und Gewerbe nur indirect unter denselben gelitten haben.