Ostasiatische Probleme.
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ihres Lebens oder ihres Eigenthums zu bedrohen scheint, wieder in den Vordergrund tritt. Daß dieser Schutz nur durch Kriegsschiffe gewährt werden kann, ist selbstverständlich; die Wassertiese der Zugänge zu vielen der geöffneten Häsen, Tientsin, Canton, Hankeou ist aber immer oder wenigstens zeitweise eine so unbedeutende, daß nur Schiffe von geringem Tiesgange dieser Aufgabe gewachsen sind. Die bisher auf der ostasiatischen Station befindlichen Kanonenboote „Iltis" und „Wolf" erfüllten diesen Zweck vollständig, obgleich sie in anderen Beziehungen, Seetüchtigkeit, Gefechtsfähigkeit und Unterbringung der Bemannung viel zu wünschen übrig ließen. Ein Ersatz für diese Fahrzeuge würde also nur durch ähnliche von gleichem Tiefgang stattfinden können, in anderem Falle würde das Reich den Schutz seiner Angehörigen in Tientsin und Canton, wo dieselben nach Shanghai die größte Gemeinde bilden, dauernd den Schiffen anderer Nationen überlassen müssen, was weder den Interessen noch der Würde Deutschlands entsprechen dürfte. Die Vertheidigung der deutschen Schiffahrt in Kriegszeiten kommt dabei nicht in Frage. Im April 1894 hatte England 22 Schiffe, darunter 2 Panzerschiffe und 6 Torpedoboote, Frankreich 23 mit 2 Panzerschiffen und Rußland 11 Schiffe in den ostasiatischen Gewässern, ohne die Geschwader dieser Mächte im Stillen Ocean zu rechnen; diesen Streitkräften gegenüber haben zwei oder drei kleine Schiffe, die keinen Stützpunkt zum Verproviantiren, Ausbessern und Kohleneinnehmen besitzen, überhaupt keine praktische Bedeutung; man würde also Unrecht haben, die Substanz für den Schatten, den möglichen Schutz der Deutschen in China für den unter den augenblicklichen Verhältnissen und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln unmöglichen Schutz der deutschen Schiffahrt in den ostasiatischen Gewässern in Kriegszeiten aufzugeben.
Die politischen Probleme, die sich aus der Lage in Ostasien entwickeln können, sind in Vorstehendem nicht berührt worden; sie werden im Wesentlichen von der Ausdauer, die China in dem Kampfe gegen Japan zeigen Wird, von der Möglichkeit für Japan, an seinem ersten Programm in Betreff Korea's sestznhalten, und von der Haltung der Mächte abhängen, deren Interessen durch eine politische Umgestaltung Korea's berührt werden. Für Deutschland dürste die Erhaltung des Zustandes vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten oder eine Neutralisirung Korea's unter der Garantie der verschiedenen Mächte die wünschenswertheste Lösung sein; direct einzugreisen hat es kaum eine Veranlassung, es sei denn, daß es sich darum handle, die mit Bezug auf Korea vorhandenen Handels- und Schiffahrtsrechte zu wahren. Dieselben sind, es ist wahr, augenblicklich nicht von großer Bedeutung; aber es ist immer gut, seine Stellung klar zu definiren, — und unsere Absatzgebiete in Ostasien dürfen durch keine politischen Veränderungen beschränkt Werden.
Deutsche Rundschau. XXI, 2.
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