Heft 
(1894) 81
Seite
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Zum zehnten November.

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die erste Weihespende aus dem Grabe des großen Freundes. Goethe hat, als er jene herrlichen Stanzen dichtete, eine größere, sür das Weimarer Theater selbst bestimmte Dichtung geplant: eine Huldigung im großen Stil, die den Manen des Dichters an der eigentlichen Stätte seiner Großthaten dargebracht werden sollte. Von diesem Gedichte ist die Rede in Goethe's Brief an Zelter, dessen Mitwirkung der Dichter zunächst sür die Lauchstädter Feier erbeten hatte (4. August 1805):Sodann hoffe ich das andere Gedicht, wenigstens ein Schema, zu senden, das alsdann zum zehnten November, zur Feier des Geburtstags unsres Freundes könnte gegeben werden."Es ist Wohl billig, das Andenken eines solchen Freundes mehr als einmahl zu fehern," schreibt Goethe später an Friedrich August Wolf, den großen Alterthums­kenner, und wie in einer Vorahnung des schwersten Verlustes hatte er der Schrift über Winckelmann, erinnernd an den Brauch, zum Andenken milder Stiftungen Jahresseste zu begehen, die Worte vorausgeschickt:In diesem Sinne haben wir alle Ursache, das Andenken solcher Männer, deren Geist uns unerschöpfliche Stiftungen bereitet, auch von Zeit zu Zeit wieder zu feiern und ihnen ein wohlgemeintes Opfer darzubringen." Das ahnungsvolle Wort am Schlüsse derselben Schrift, das man seither so manches Mal auf Schiller bezogen hat, war jetzt in Erfüllung gegangen:Er hat als Mann gelebt und ist als ein vollständiger Mann von hinnen gegangen. ... In der Gestalt, wie der Mensch die Erde verläßt, wandelt er unter den Schatten, und so bleibt uns Achill als ewig strebender Jüngling gegenwärtig. Daß Winckel­mann früh hinwegschied, kommt auch uns zu gute. Von seinem Grabe her stärkt uns der Anhauch seiner Kraft ..."

Zelter und Wolf, Jeder der Trefflichste in seiner Art, gewannen eben in dieser Zeit sür Goethe einen höheren Werth; Jeder rückte an seiner Stelle in die Lücke ein, die von einem Einzelnen nie wieder ausgesüllt werden konnte. Sie sind ihm beide in jenen Monaten auch persönlich nahe gekommen und haben Wochen und Tage, Zelter einmal, Wolf wiederholt, mit ihm zugebracht. Bezeichnend für den Grad seiner Schätzung und nicht minder sür sein Freund- schaftsbedürfniß ist es, Wie Goethe sich gelegentlich über das Zusammensein mit ihnen äußert.Geheimrath Wolf von Halle hoffe ich auch bei dieser Gelegenheit hier zu sehen," schreibt er an den Herzog Carl August am Vor­abend der Aufführung der Glocke.Dadurch daß er für Preußen erhalten wird, geschieht auch mir eine besondere Wohlthat. Ich kann doch hoffen, ihn jährlich eine Zeitlang zu sehen und mich an seinem Wissen und seinem Cha­rakter zu erbauen. Indem ich dieses schreibe, tritt Zelter von Berlin zu mir herein. Meine Freude diesen köstlichen Mann zu sehen und einige Tage zu besitzen ist sehr groß. Wenn die Tüchtigkeit sich aus der Welt verlöhre, so könnte man sie durch ihn wieder Herstellen." Und an die alte Freundin, Frau von Stein, nach dem Bericht über die Aufführung,wobey uns ein guter Beyfall zu Theil geworden", den 12. August:Zelter hat mich auf einige Tage besucht und mir durch seine Gegenwart große Freude gemacht. Man sängt wieder an, ans Leben zu glauben, wenn man solche Menschen sieht, die so tüchtig und redlich wirken, gegen so viele, die nur wie das Rohr

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