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Deutsche Rundschau.
vom Winde hin und her bewegt werden. Nun gedencke ich noch eine kleine Reise mit Geheimerath Wolf und August (dem Sohne) nach Helmstädt zu machen."
Goethe betrachtete seine Arbeiten als Geheimnisse. Er hielt mit jeder Mittheilung darüber so lange wie möglich zurück, selbst gegen Schiller — „da ich weiß (schreibt er diesem einmal), daß ich nie etwas fertig mache, wenn ich den Plan zur Arbeit nur irgend vertraut, oder jemanden offenbart habe". Ueber seine Dichtung auf Schiller hat er mit Zelter und Wolf gesprochen, in einer Weise freilich auch, der man jene Scheu deutlich anmerkt. „Sie sollen aber nun bald möglichst, wenigstens zuerst, mein Schema erfahren und mir Ihre Gedanken darüber eröffnen. Sowohl Vorsatz aber als Arbeit bleibt unter uns, bis wir fertig sind und getrost auftreten können." So schreibt er an Zelter den 19. Juni, und noch am 4. August wiederholt er brieflich nur diese Zusage.
Zelter war von vornherein im Geheimniß. Ihm zuerst auch hat Goethe nach einem langen Schweigen sein Inneres erschlossen. „Seit der Zeit, daß ich Ihnen nicht geschrieben habe," beginnt er den Brief vom 1. Juni, „sind mir wenig gute Tage geworden. Ich dachte mich selbst zu verlieren, und verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseyns. Eigentlich sollte ich eine neue Lebensweise anfangen; aber dazu ist in meinen Jahren auch kein Weg mehr. Ich sehe also jetzt nur jeden Tag unmittelbar vor mich hin, und thue das Nächste ohne an eine weitre Folge zu denken." Und mit trübem Humor fährt er fort: „Da indessen die Menschen aus jedem Verlust und Unglück sich wieder einen Spaß herauszubilden suchen, so geht man mich von Seiten unseres Theaters und von mehrern Seiten dringend an, das Andenken des Abgeschiedenen auf der Bühne zu fehern. Ich mag hierüber weiter nichts sagen, als daß ich dazu nicht abgeneigt bin und jetzt nur bei Ihnen anfragen möchte, ob Sie mir dazu behülflich sehn wollen. . . . Wäre es nicht möglich, daß Sie Ende July nach Lauchstädt kämen, um daselbst jene obengedachte Arbeit einzuleiten und ausführen zu helfen?" Zelter geht auf den Gedanken sogleich und mit ganzer Seele ein, und indem er die erbetene Beisteuer, seine Motette „Der Mensch lebt und bestehet", und eine freiwillige, den Anfang seines Requiem, sendet, erbietet er sich zu höherer Leistung. Nicht auf Einlagen und Zuthaten, nein auf eine gemeinsame Schöpfung verpflichtet er sich. „Warum aber wollen wir uns mit geborgten Gütern behelfen? Ich sollte denken, es werde Ihnen eben nicht schwer fallen, etwas Besonders zu machen oder anzuordnen, wozu ich Ihnen die Musik so bald es mir nur möglich ist liefern will. Die vorerwähnten Stücke find wirklich auf eine Kirche berechnet, und ich fürchte, daß sie außer dieser Sphäre nicht ihre volle Wirkung haben werden. Wenn dagegen wir Behde, um eines Dritten willen, den Wir nun Wohl fortlieben werden, etwas zu Stande bringen, so sollte ich denken, es müßte sich sehen und hören lassen; mir wenigstens wird es nach unsres Freundes Tode die erste erfreuliche Arbeit sehn. Darüber erwarte ich mit umgehender Post Ihre Meinung und Ihren Willen." Und nun rühmt er das „ehrwürdige Betragen" Jfflands, des Leiters der Berliner Bühne, der