Zum zehnten November.
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einen Schiller-Chclus begonnen und selbst sogleich im ersten Stücke, als Franz in den „Räubern", sein Bestes geboten habe. „Das Haus war zum Ersticken voll. Künftigen Freitag steht „Cabale und Liebe" auf dem Repertorio, und es scheint, als wenn die Direction durch kurz auf einander folgende Darstellungen aller Schillerschen Stücke theils das Publicum, das Schillern sehr liebt, fetiren, theils die großen Verdienste des Verewigten auf Eine Tafel bringen wollte, um endlich dadurch etwas für Schillers Andenken zu bewirken. Auch leidet die Kaffe eben dadurch nicht, denn das Haus ist bey Schiller'schen Stücken immer voll, welches in der jetzigen Jahreszeit sonst nicht der Fall ist. Lassen Sie demnach uns auch etwas für diese Sache thun, das sich dauernd an einen dauernden Gegenstand anschließt. Wenn Sie nicht zu sehr angegriffen sind, so kann es eine lindernde wohlthätige Arbeit für Sie fein, und ich will mich zusammen nehmen und leisten, was ich kann. Um so mehr, da eigentlich in dieser Art nichts Rechtes existirt, das sich für eine Bühne eignete. Vielleicht könnte unsere Arbeit etwas Allgemeines werden, das sich wie ein ordentliches Stück bey jeder feherlichen Gelegenheit anwenden ließe. . . Das Requiem, welches ich Ihnen anbeh sende, ist das nämliche mit welchem ich Schillers Andenken am 21. Mai in der Singakademie begangen habe. . . . Geschloffen am 11. Junius 1805."
So wird der Aufgebotene zum Treiber und Anreger. Goethe läßt es, wie wir sahen, zunächst bei dem Versprechen des „Schemas" bewenden. Merkwürdig aber ist, wie er umgehend, den 19. Juni, auf die Nachrichten von dem Berliner Theater replicirt. „Jfsland hat auf jede Weise Recht, den pathologischen An- theil des Publicums für seine Zwecke zu benutzen. Wenn die Deutschen nicht real gerührt sind, so sind sie ideal schwer zu rühren. Setzt er seine Reihe der Vorstellungen durch und führt er sie am Ende zu einer tüchtigen Benefiz-Vorstellung für die hinterlafsenen Kinder, so soll er gerühmt werden." Und nun tischt er dem Freunde ein Seitenstück auf: das Frankfurter Journal Nr. 92, Montag 10. Juni 1805. „Das Frankfurter H)8uräunU, sagt er. „Man hat soeben Schiller's Hintritt im hiesigen Schauspielhaus gefeiert, wozu die Herren Schmitt und Jhlee das gebildete Publicum privatim eingeladen hatten. Durch passende Musik und durch Recitationen einiger Stücke aus des Hingeschiedenen Werken wurden die regen Gefühle des Verlustes und der Trauer bei den Anwesenden noch reger. In einem schwarz behängten Saale" u. s. w. Die Beschreibung des Actus gehört nicht hierher, Wohl aber das Unwetter, das in Goethe's Brief darüber losbricht. „Man fetzt in die Zeitung: er seh nicht reich gestorben, habe vier Kinder hinterlasfen, und gewährt dem lieben Publicum einen frehen Eintritt zu einer Todtenfeher! — Pfaffen und Mönche wissen die Todtenfeher ihrer Heiligen besser zum Vortheil der Lebenden zu benutzen. Das tiefe Gefühl des Verlustes gehört den Freunden als ein Vorrecht. Die Herren Frankfurter, die sonst nichts als das Geld zu schätzen wissen, hätten besser gethan, ihren Antheil realiter auszudrücken, da sie, unter uns gesagt, dem lebenden Trefflichen, der es sich sauer genug werden ließ, niemals ein Manuscript honorirt haben; sondern immer warteten, bis sie das gedruckte Stück für 12 Groschen haben konnten. Ver-