Heft 
(1894) 81
Seite
280
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Deutsche Rundschau.

1 Chöre I

2 Thanatos

3 Gattin

4 Freund

5 Deutschland

6 Weisheit

7 Poesie Poesie allein

8 Chöre

9 Vaterland 10 Chöre

II

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IV

Jünglinge

Jungsrauen

Männer

Greise

Tod

Schlaf

Gattin

Freund

Deutschland

Weisheit

Dichtung

Vaterland

So wissen wir nun,was Goethe gemacht hat", oder zunächst wenigstens haben und sehen wir es. Wenn die ersten Verweser und Herausgeber von Goethe's Nachlaß nichts davon bekannt gemacht haben, so liegt dies jedenfalls nur daran, daß sie nicht im Stande gewesen sind, diesen Blättern ihr Ge- heimniß zu entlocken. Eilfertig und nur für das Bedürsniß des nächsten Tages geschrieben, sind sie allerdings mit ihren Abkürzungen und verblichenen Schristzügen etwas schwer zu entziffern. Sind sie aber entziffert und in die notwendige Folge gebracht, dann hebt erst die rechte Schwierigkeit an. Sie haben wich nicht losgelassen, nachdem ich es einmal übernommen hatte, diese Fragmente, Skizzen und Ansätze für die Weimarische Goethe-Ausgabe zu be­arbeiten, in deren sechzehntem Bande sie jetzt erscheinen. Der Reiz, den werdende Gedanken und Gebilde ausüben, ist allzu groß. Immer wieder bin ich zu diesen schönen Räthseln zurückgekehrt. Es gibt ein Verfahren, die Ge­stalten und Farben verwitterter Wand- und Deckengemälde wieder hervorzn- rusen und auszufrischen. Eine ähnliche Technik gilt es hier zu üben, ja eine noch schwerere Kunst vielleicht: zu ahnen, was einmal auf der Zaubertasel des Dichters gestanden haben mag, und wovon kein äußerliches Zeichen aus seine Blätter kam. Hier ist eine divinatorische Kritik am rechten Platze, deren Aufgabe es ist, die Herstellung eines Kunstwerks bis zu dem Punkte zu führen, wo des Lesers und Betrachters eigene Phantasie einzusetzen hat. Denn diese muß schließlich das Beste thun: die Gestalten selbst beleben und ausmalen und die Illusion eines Ganzen und Fertigen Hervorbringen.

II.

Inhalt und Gang der Dichtung.

Die Information, die Goethe für den Componisten niederschrieb, und das bildliche Schema, das er für sich selbst entwarf, leisten den Dienst eines Grund- und Aufrisses. Nach Goethe's Zählung hätte man vier Haupttheile zu unter­scheiden. Will man indessen, was ich für statthast halte, die Schlußchöre (IV) als einen musikalischen Epilog, der sich vollendend an den poetischen (III) an­fügt, mit diesem in Eins zusammensaffen, so erscheint ein dreigliedriger Auf­bau, dessen Theile als Vorspiel,Stück" und Epilog bezeichnet werden mögen.