Zum zehnten November.
287
Dann aber gestaltet er sie völliger aus, und hier sehen wir strophische Form angelegt:
Hast du versäumt Hast du verträumt Launisch gemieden
Kamst du aber dem Regen Thütig entgegen,
Widerstrebtest du nicht seinem Zug,
Lahmtest du nicht seinen Flug Durch Willkür und Laune,
So danke dir selbst sür dein Glück —
Es ist vorüber, es kommt nicht zurück.
Die Lücke ist dem Sinne nach leicht ergänzt: „So magst du jetzt sreilich weinen und klagen." Ich glaube, es ist nicht von ungesähr, daß gerade diese Stelle vergleichsweise am weitesten gediehen ist. Hier hat der Dichter sür das Gefühl, mit dem er sich über den Schmerz des Verlustes erhob, Worte gesucht. „Wir haben zusammen gelebt, denn wir haben zusammen gewirkt." Hier hat er sür den Freund, sein Wesen und seinen Kern die kürzeste, kräftigste Formel gefunden. Er ist „der Rege". Der, dem Ruhe und Stillstand Tod war. Der von sich sagt, wie Wallenstein: „Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet." Der nach diesem stärksten Bedürfniß sich auch den Freund wählt und in den Ziemen es ausspricht:
Dieser ist mir der Freund, der mit mir Strebendem wandelt.
So gipfelt ja auch im Epilog die Schilderung des „Lebenswürdigen" einmal in den Versen, die das gewaltige Fortschreiten seines Geistes schildern und dann sogleich den Adel seiner Seele. Wer ist der Freund aber? Es ist kaum nöthig, so zu fragen. Der Dichter ist hier dem Triebe gefolgt, persönlich ein Bekenntniß abzulegen. Er hat es später ebenso gethan in der Rechenschaft, die er über sein „Verhältniß zu Schiller" niederschrieb. Da spricht er von seinem „hartnäckigen Realismus", der manchmal „Anlaß zu lebhaftem Widerspruch gegeben". „Selten ist es aber" — fügt er hinzu — „daß Personen, die gleichsam die Hälften von einander ausmachen, sich nicht abstoßen, sondern sich anschließen und einander ergänzen." Und in den Annalen von 1805, wo er des Verlustes gedenkt und auf das Zusammenwirken mit Schiller zurückblickt, erklärt er die gegenseitige Förderung, die daraus erwachsen, mit den Worten: „Schillers ideeller Tendenz konnte sich meine reelle gar Wohl nähern, und weil beide vereinzelt doch nicht zu ihrem Ziele gelangen, so traten beide zuletzt in einem lebendigen Sinne zusammen." Die wehmüthige Klage des Realisten um den Verlorenen, die Frage: „Wer reicht mir die Hand?" sie klingt fast Wie Wallenstein's Klage um „den Freund".
Er machte mir das Wirkliche zum Traum,
Um die gemeine Deutlichkeit der Tinge Den goldnen Duft der Morgenröthe webend —
Im Feuer seines liebenden Gefühls Erhoben sich, mir selber zum Erstaunen,
Des Lebens stach alltägliche Gestalten.