Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Den Pfauenschweif von allen deinen Bildern, Soll ich deshalb die strengen Schlüsse mildern?

es kann von deinen Schildern Das Rad allein, allein der Rautenkranz . . .

Deutschland" hat im Namen aller seiner Lande und Landessürsten ge­sprochen. Thanatos bestreitet ihm dies Recht. Nur zwei deutsche Länder haben dem Dichter, den jetzt alle den Ihren nennen wollen, eine freundliche Heimstätte gewährt: Kurmainz (Rad) und Sachsen (Raute). Und nur zwei Sterne haben ihm geleuchtet, während der ganze Himmel theilnahmlos blieb; neben Dalberg und Carl August hätte hier ein Dritter genannt sein sollen, der dem Dichter wahrhaft als ein Rettungsstern erschien: der hochherzige Au- gustenburger.Soll etwa" schließt Thanatos, mit herbem Vorwurf die stolzeVorsprache" der Herrscherin erwidernd,um deines Gepränges willen das Gesetz umgangen werden, dem alle Wesen unterworfen sind?"

Die strengen Schlüsse" es klingt das wiederum wie eine Reminiscenz aus Schiller's Gedichten:Ewig steht der Schluß des Zeus" in derKlage der Ceres" (Seite 8 der Gedichte). Aber hier wirkt unstreitig ein Anderer ein: Lessing. Gegen eine antiquarische Bemerkung in Winckelmann's Schrift von der Allegorie die Gaditaner (Bewohner von Gades, Cadix) wären die Einzigen unter allen Völkern gewesen,die den Tod verehret", wendet Lessing, mit Bezug auf die von Jenem mißverstandene Stelle eines griechischen Autors ein:Selbst bey den Griechen war der Tod nicht ohne Verehrung. Das Be­sondere der Gaditaner war nur dieses, daß sie die Gottheit des Todes für er- bittlich hielten; daß sie glaubten, durch Opfer und Päane seine Strenge mildern, seinen Schluß verzögern zu können. Denn Päane heißen im be- sondern Verstände Lieder, die einer Gottheit zur Abwendung irgend eines Nebels gesungen werden." Die Stelle steht in der Abhandlung:Wie die Alten den Tod gebildet" ziemlich vorn, und so ist sie, da Goethe sicherlich, seit ihm die Todtenseyer" im Sinne lag, das berühmte Büchlein mehr als einmal aus­geschlagen hat, ihm im Gedächtniß geblieben. Ferner aber: auf der Vor­stellung, daß die Gottheit des Todes erbittlich sei, beruht ja auch unsere Dich­tung, und so hätten denn Winckelmann und Lessing, in gewissem Sinne, als ihre Urväter zu gelten.

Fünfter Auftritt.

Weisheit und Dichtung".

Weisheit und Poesie, zwei Schwestern, verschieden in Art und Gebärde, Wie in Kunst und Rede, treten von verschiedenen Seiten gleichzeitig ein. Beiden ist der, den der Todesgott als den Seinen anspricht theuer. Die Aeltere erhebt zuerst die Klage um ihn, der tief (im Abgrund", wo sie wohnt) die Wahr­heit zu erforschen und sie mit der Klarheit, die aus der Fülle kommt, darzu­stellen vermocht. Die Poesie aber weiß Höheres von ihm zu künden. Es sind nur wenige Zeilen zu diesem Auftritt auf das Blatt gekommen, das sonst bloß