Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

3. Der Epilog.

Der Katafalk, derBau des Todes", ist errichtet; er stand schon, als die Nänie verklang. Wir denken an das Trauergepränge in derBraut von Messina":Wände und Säulen mit schwarzem Flor behängen", vielleicht auch Wie dortGenien, mit Fackeln in den Händen".

Die Auszeichnungen des Dichters zur Ausführung sind gegen den Schluß hin immer spärlicher geworden, und die letzten Blätter bieten uns leider nichts Weiter als Üeberschriften:Vaterland".Magnisicat". Indessen auch diese Ständer zum Gerüst lassen sich noch einigermaßen umkleiden; und hier gerade kommen uns Zelter's kurze Notizen noch zu Hülfe.

Epilog des Vaterlandes" steht auf Zelter's Schema, und so ist auch in dem figürlichen Plane das Vaterland als einzige sprechende Person an der Spitze des zweiten Dreiecks (zu Abtheilung III gehörig) eingetragen. Im Trauergewande erscheint es nun, weinend um denverherrlichten Sohn". Aber nicht zum Klagen bloß, ja auch nicht hauptsächlich zum Klagen ist das Vaterland an Schiller's Sarkophag erschienen. Hier, am Ruhebette des Regen", galt es ein kräftiges Nsmsnto vivsrs! ausznsprechen. Euch stärke der Anhauch seiner Kraft!Aufs Leben seid, nicht auf den Tod bedacht!"

Nicht in das Grab, nicht über's Grab verschwendet Ein edler Mann der Sehnsucht hohen Werth.

Es galt zu vollbringen, was Goethe an Jffland's Beginnen so löblich gefunden hatte: die reale Rührung zur idealen zu läutern, und diese zum Positiven, zum Idealismus der That, in Schiller's Sinne, zu erheben. Der wackere Zelter hat gewußt, Was Goethe bei dem Epilog des Vaterlandes das, wie er ja auch wußte, im Stücke selbsteine große und breite Figur gibt" im Schilde geführt hat; oder er hat es aus Goethe's Mittheilungen richtig errathen. Und auch wir können es, aus den schriftlichen Mittheilungen, er- rathen: aus dem Zornesausbruch Goethe's über seine lieben Mitbürger, die Herren Frankfurter, aus dem Winke, wie man von Pfaffen und Mönchen lernen müsse, die Todtenseier der Heiligen zum Vortheil der Lebenden zu nutzen. So verstehen wir nun erst die ganze Bitterkeit der grimmigen Bemerkung Zelter's und fühlen, wie dem preußischen Patrioten das Herz Weh gethan hat, als er sie niederschrieb:Das Vaterland mußte donw cediren, und von Katz' und Hunden fressen sehen, was es seinen Helden und seinen Weisen nicht hatte gönnen wollen."

Wir dürfen den temporären Zweck, zu dem der Dichter selbst sich bekennt, von seiner Dichtung nicht ausschließen. Das WortHilflosigkeit" steht nicht umsonst unter den Motiven der SceneGattin und Kinder". Zur Dankbar­keit gegen die geistigen Wohlthäter und Stifter, von denen er in seinem Vor­wort zumWinckelmann" redet, wollte Goethe die Deutschen erziehen. Ein­dringlicher, strenger als mit der verhaltenen Mahnung, die schon in der Schluß­strophe des Lauchstädter Epilogs zur Glocke vernommen werden konnte: