Heft 
(1894) 81
Seite
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Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardt's.

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deren leitende Minister in Paris zu versammeln. Im Uebrigen wurde betont, daß die Verträge von 1815, soweit sie nicht abgeändert worden, nach preußischer Auffassung zu Recht beständen.

Die damalige Lage der inneren preußischen und deutschen Verhältnisse kann mit wenigen Worten bezeichnet werden.

Das Ministerium Bismarck stand im zweiten Jahre seiner öffentlichen Thätigkeit, in der Periode erbittertsten Kampfes um die Militär-Reorgani­sation, für welche das Abgeordnetenhaus die erforderlichen Geldmittel wieder­holt verweigert hatte. Im Sommer (1863) waren die bekannten Preß- ordonnamen erlassen worden, deren vom Abgeordnetenhause geforderte Zurück­nahme in Berlin das Interesse des Tages bildete.

Das übrige Deutschland theilte seine Aufmerksamkeit zwischen den preußischen Vorgängen und den beiden Angelegenheiten, die während des Spätsommers zu Frankfurt a. M. verhandelt worden waren: dem (an dem Widerspruch Preußens gescheiterten) österreichischen Project einer Bundesreform und dem Protest, welchen der Bundestag unter gleichzeitiger Bedrohung einer Vundes-Execntion gegen die Einverleibung Schleswigs in die dänische Monarchie nach Kopenhagen gerichtet hatte (1. October 1863).

So lagen die Dinge, als die Kunde von dem am 15. November erfolgten, von Niemandem erwarteten Ableben des erst fünfundfünfzigjährigen Königs Frederik VII., des letzten Vertreters des königlichen Mannesstammes, eintraf.

Theodor von Bernhardts damalige äußere und innere Stellung ist in diesen Blättern wiederholt berührt worden. Als Privatmann in Berlin lebend, stand er mit seinen Grundanschauungen auf dem Boden der gemäßigt liberalen Partei, während er zugleich entschiedener Anhänger der Militärreform war, die er wiederholt und nachdrücklich in seinen Schriften vertreten hatte. Dieser letztere Umstand erklärt die Thatsache, daß er, außer mit Männern der verschiedensten politischen Richtungen, insbesondere mit dem Kriegsminister von Roon in naher Beziehung stand.

Ueber die Ereignisse und Stimmungen der zweiten Hälfte des November 1863 enthalten seine Tagebücher unter Anderem das Folgende:

16. November. Ausgegangen bei trübem Wetter. In der Bellevue­straße begegnet mir Herr von Benda und fragt, ob ich die große Tagesneuig­keit schon Wisse: der König von Dänemark ist plötzlich gestorben: II nF' a nmnguä piu8 gns eola, war mein erster Gedanke noch eine Com- plication mehr! . . . Nicht daß ich einen Krieg fürchtete wollte Gott, die Sachen stünden so, daß mandergleichen erwarten könnte, nein, ich fürchte, die Sache der Herzogthümer Wird noch ein Mal und zwar zum letzten Male verdorben. Es wird irgend ein neues unseliges Protocoll zusammengekleistert und Schleswig-Holstein verloren werden. Nach den Antecendenzien des Mini­steriums muß man das erwarten.

18. November. Die Zeit nimmt eine sehr ernste Wendung. Der Prinz Friedrich von Ho lstein-Augustenburg, vermöge der Resignation seines Vaters Herzog von Schleswig-Holstein, ist hier eingetroffen und will seine Rechte auf das Entschiedenste geltend machen. Der Bundestag hat dem