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Deutsche Rundschau.
Londoner Protocoll (se. durch welches die Großmächte das Successionsrecht des gegenwärtigen Königs Christian IX. und die Integrität des dänischen Reichs anerkannten) nie zugestimmt. Ebenso wenig haben es die deutschen Regierungen zweiten und dritten Ranges gethan — sie sind in keiner Weise gebunden. Die dänische Regierung wird nun selbst durch die Sanctionirnng des sogenannten Grundgesetzes, durch welches Schleswig in Dänemark einverleibt wird, die Verträge zerreißen, welche die Grundlage des Wiener Proto- colls bilden. Der Herzog von Coburg hat bereits den Prinzen Friedrich als regierenden Herzog von Schleswig-Holstein anerkannt. (XL. Das hatte ich soeben mit einiger Verwunderung ans der Zeitung ersehen.) — Das ist aber keineswegs bloß ein excentrischer Streich von seiner Seite. Baden und die sämmtlichen sächsischen Herzogtümer werden im Lause des heutigen Tages dasselbe thun — Oldenburg höchst wahrscheinlich auch — und mit einem ziemlichen Grad von Wahrscheinlichkeit erwartet man denselben Schritt auch von Bayern. Es ist demnach Aussicht da, daß der Bundestag den Prinzen Friedrich anerkennen könnte.
Holsteinische Notablen — Mitglieder der Ständeversammlung — die sich morgen in Kiel versammeln, wollen, wenn sie nur einige Aussicht auf Unterstützung von Seiten Deutschlands haben, den förmlichen Beschluß fassen, der Krone Dänemark den Huldigungseid zu versagen. — Prinz Friedrich wird morgen einen Aufruf an die Schleswig-Holsteiner erlassen, der aber, aus Rücksicht für unfern König, nicht hier, sondern in Hamburg gedruckt werden soll. — Heute Abend noch gehen die Notifications-Schreiben an die sämmtlichen europäischen Höfe ab, in denen er seinen Regierungsantritt meldet.
Das Alles müßte aber ziemlich ohnmächtig bleiben, wenn es nicht durch Preußens reale Macht getragen würde. Das Interesse Deutschlands und das Interesse Preußens erheischt, daß Preußen die Sache in die Hand nimmt und sich an die Spitze der Bewegung stellt. — Dahin muß man es zu bringen suchen. — Der Prinz Friedrich wird heute eine Audienz bei unserm König haben. — Einen Augenblick dachte er daran, auch durch das Abgeordnetenhaus einen Druck aus unsere Regierung zu üben, die Fortschrittspartei und das linke Centrum (Bockum-Dolffs) zu einer Adresse, zu einer Manifestation für Schleswig-Holstein zu veranlassen, das ist aber sofort wieder aufgegeben worden. Theils haben die Oppositionsparteien bei uns durchaus keine Lust, sich auf die Sache einzulassen, denn sie sagen sich Wohl, daß sie die Regierung dann auch unterstützen, das Militärbudget wenigstens für setzt annehmen, Anleihen, und was sonst nöthig ist, bewilligen müssen, wenn sie einmal zur Action gedrängt haben. Dieser Widerstand, den man hier findet, wäre vielleicht zu besiegen — man müßte aber befürchten, den König „kopsscheu" zu machen, wenn die Opposition sich der Sache lebhafter als der ihrigen annehmen wollte — und so mag es besser unterbleiben.
Es kommt also darauf an, unsere Regierung dahin zu bringen, daß sie die Initiative ergreift und entschlossen vorgeht aus eigenem Antrieb. Ich soll deshalb mit Roon sprechen.