Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

staatsrnännische Einsicht, und wenn er die Verantwortung nicht unmittelbar zu tragen hat, fehlt es ihm auch nicht an Muth. Auf Max Duncker's Meinung gibt er etwas. Das Alles benutzt dieser und veranlaßt ihn ernstlich, über die große Angelegenheit des Tages mit dem König zu sprechen.

Zwischen acht und neun Uhr zu Roon, anderthalbstündiges Gespräch mit ihm in seinem Cabinet; ein sehr gutes Gespräch, das mich nicht ganz un­befriedigt läßt und Wohl einige Aussichten eröffnet, wenn auch allerdings keineswegs durchaus genügende.

Ich beginne das Gespräch mit der Bemerkung:Ich benütze die Erlaubniß Ew. Excellenz sofort, weil ich einiges Tatsächliche mitzutheilen habe, das von Werth sein könnte. Ich habe in Paris einen Freund und Correspondenten, der auf dem Fuß großer Vertrautheit mit Nigra (dem damaligen italienischen Ge­sandten) lebt. Der schreibt mir, bis vor drei Wochen etwa hegte Napoleon III. die Aussicht, er könne und werde Oesterreich zum Kriege mit Rußland be­wegen. Jetzt hat er dieses Bestreben als entschieden fruchtlos durchaus fallen lassen Metternich, der dieser Kombination zustimmte und ihre Verwirk­lichung in jeder Weise herbeizusühren bemüht war, ist darüber aus das Aeußerste niedergeschlagen. Jetzt geht Napoleon III. aus ein Bündniß mit Rußland gegen Oesterreich aus was nicht gelingen wird, wie ich nach meiner Kenntniß der Lage der Dinge im Osten Europa's glaube mit Bestimmt­heit anssprechen zu dürfen. In Oesterreich aber ist man darüber in große Angst gerathen, sucht sich sicher zu stellen und zwar dadurch, daß man sich mit Rußland zu versöhnen sucht. Das plötzlich sehr entschiedene Auftreten Oesterreichs gegen die Polen in Galizien liefert den Beweis, daß dem Allen wirklich so ist; es soll zu der Versöhnung mit Rußland führen."

Roon findet das Alles so wichtig, daß er es sich sofort mit Bleistift notirt. Was die deutsch-dänische Frage anbetrifft, findet er Preußens Lage sehr schwierig, denn Preußen sei nun einmal durch das unselige Londoner Protocoll von 1852 gebunden, da es dieses unglücklicher Weise unterschrieben habe.

Ich: Dänemark hat nun aber selbst durch die Jncorporation von Schleswig, wie sie im neuen Grundgesetz ausgesprochen ist, die bestehenden Verträge zerrissen, und wir sind nicht länger daran gebunden.

Roon: Die Verträge von 1815 hat Dänemark allerdings zerrissen, und Dänemark gegenüber sind wir zu nichts mehr verpflichtet; aber in dem Protocoll von 1852 haben sich die fünfGroßmächte nicht gegen Dänemark, sondern gegeneinander verpflichtet, die Inte­grität der dänischen Monarchie zu wahren, und gegenüber den Londoner Conserenz-Mächten sind wir unserer Verpflichtung nicht entbunden. Es sei freilich sehr zu beklagen, daß Preußen dieses Protocoll unterschrieben habe; das sei ein unverzeihlicher Fehler gewesen. Ueberhaupt habe es nie eine elendere Politik gegeben als die Mantenffel's.

Es wäre nicht schwer, nachzuweisen, daß auch das Londoner Protocoll hinfällig ist, weil die Voraussetzungen, auf die es gegründet war, nicht erfüllt Worden sind; Dänemark die Zustimmung der Agnaten (Augustenburger und