Heft 
(1894) 81
Seite
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Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts.

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Roon kommt darauf zurück, daß man sehr vorsichtig zu Werke gehen müßte; das wollen die Leute eben nicht sehen; eben war Jemand bei mir, der nicht weniger und nicht mehr verlangte, als wir sollten sofort den Herzog von Schleswig-Holstein anerkennen und unverzüglich in Holstein einrücken. Wenn ich Ihnen sagen wollte, wer das War, würden Sie sich Wundern; es ist einer der Führer der röthesten Reaction!

2 0. November 1863. Abermaliger Besuch bei Roon.

Ich: Sie waren neulich der Meinung, daß man jedenfalls von dem Londoner Protocoll loskommen müsse, daß es sich bloß um das Wie handelt. Wenn man aber etwas unter allen Umständen thun muß, dann kommt es darauf an, es in solcher Weise zu thun, daß es einem als Verdienst ange­rechnet wird, und daß man auch Dank dafür erntet. Nicht so, daß man es nur mit Widerstreben und gezwungen zu thun scheint.

Roon: Allerdings, man muß sich das Verdiensteiner schmucken That" nicht entgehen lassen. In diesem Fall aber hat die sofortige Action große Schwierigkeiten. Oesterreich erklärt sich ganz entschieden für Dänemark und verlangt von uns, wir sollen dasselbe thun, und mit dem Prinzen von Augustenburgkurzen Prozeß machen". Oesterreich spricht sich so schroff aus, daß man dahinter eine Falle vermuthen konnte, die man uns stellen will. Ich glaubte, Bismarck warnen zu müssen; ich sagte ihm: Geben Sie Acht! Man will uns vielleicht veranlassen, eine ähnliche Erklärung abzugeben, um dann die Schuld aus uns zu schieben und sagen zu können:Ja! ohne Preußen können wir nicht!" Hannover und Sachsen wollen sich nun auch von der Exemtion lossagen.

Ich: Von Exemtion kann, wie mir scheint, überhaupt gar nicht mehr die Rede sein, sondern nur von Ocmpation, bis zur Erledigung des Erbstreites, oder einfach für den legitimen Landesherrn.

Roon: Doch, Exemtion! Die Rechte Deutschlands müssen unter allen Bedingungen gewahrt werden, die Legitimität des Prinzen von Augustenburg aber ist mir nicht so klar! Aus Lauenburg hat er gar kein Recht!

Darüber ließe sich streiten; Lauenburg ist freilich als Entschädigung für Norwegen gegeben worden, aber wem denn? Doch gewiß nicht der Krone Dänemark, die Norwegen nie besessen hat, da zwischen beiden Ländern nur Personal-Union bestand! Also der Dynastie, dem Hause Holstein-Olden­burg. Und nach welchem Recht muß dieses selbständige deutsche Herzogthum nun in dem Hause vererbt werden? Nach deutschem, d. h. einheimischem Fürstenrecht, oder nach fremdem Recht, nämlich nach dänischem Erbrecht? Doch lasse ich das auf sich beruhen und suche nur daran zu erinnern, daß der Prinz Friedrich von Augustenburg nach deutschem Fürstenrecht ganz un­zweifelhaft Erbe von Schleswig-Holstein ist und auch unbedingt dafür gegolten hat, bis auf die ganz willkürlichen Rechtsverletzungen durch den offenen Brief von 1846. Roon weicht der Erörterung aus.

Roon:Die Frage ist überhaupt eine Frage der Macht, nicht eine Frage des Rechts; und haben wir die Macht?" ver-