Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Maler wurden Fächer, Stellwände, Diplome und Festkarten beigesteuert. Die Akademische Jubiläumsausstellung von 1886 öffnete vollends dem Kunstgewerbe alle Thore: damals wurden das Tafelsilber des Kaisers, die besten Stücke der Porzellanmanusactur, von Wien her alle Preisarbeiten des österreichischen Museums und von München eine Fülle von Kleingeräth ausgestellt.

Den eigentlichen Anstoß für die ofstcielle Erweiterung des Programms mag Wohl der Erfolg der Pariser Ausstellung aus dem Marsseld gegeben haben. Seit­dem dort die Secession ihren jährlichen Salon eröffnet, hat sie die Kleinkünste in ihr Programm ausgenommen und weigert keinem Werke den Eintritt, das den An­spruch aus künstlerische Erfindung und Durchführung erheben kann. Eine äußer­liche Grenze nach der Richtung des Gewerbes hin gibt es hierbei nicht. Diejenigen Werke decorativer Kunst, für welche die Mitwirkung ausgebildeter Maler und Bild­hauer unerläßlich ist, wie monumentale Brunnen, Kandelaber mit vollem Figuren­schmuck, decorative Malereien oder Entwürfe für Glasfenster und Gobelins, waren auch im alten Salon der Champs Elysoes courfähig, aber auf dem Marsfeld ging man von dieser äußerlichen Begrenzung ab und erkannte an, daß auch in der Ge­staltung und Färbung eines irdenen Kruges, einer Lederkapsel sich selbständiges, rein künstlerisches Empfinden offenbaren könne. Hier wurden zuerst Arbeiten vor­geführt wie die glasirten Jrdenwaaren des genialen, kürzlich verstorbenen Bildhauers Cariös, die nach Art altjapanischer Gefäße mit Farben überflossenen Steingutvasen von Delaherche, die Glasgeräthe von Galle in Nancy und andere wohlgelungene Stücke, welche dem neu erwachten Sinne für sein abgestimmte lichte Töne reich­lichere Nahrung bieten, als ganze Reihen tastender Versuche in der Malerei. Die rein künstlerische Bedeutung dieser Arbeiten ist jetzt in Frankreich so vollkommen anerkannt, daß man sogar in das Musee du Luxembourg, welches nach seiner Be­stimmung unserer Nationalgalerie entspricht, einzelne Werke dieser Gruppe aus­genommen hat, darunter Stücke ohne irgendwelchen Schmuck von Figuren oder Pflanzen, sogar ohne eigentliche Ornamente; Stücke, die lediglich durch Farben- combinationen wirken, merkwürdige Erscheinungen der Kunstperiode, die ja auch landschaftliche Bilder entstehen läßt, in denen die Zeichnung völlig verschwindet und nur noch die Farbenstimmungen übrig bleiben. Die Aufnahme dieser Stücke in das Museum der Malereien und Sculpturen wird in Paris allerdings noch da­durch gefördert, daß es dort kein staatliches Kunstgewerbe-Museum gibt.

Auch in Chicago hatten die genannten Arbeiten, ausgewählt von der Union onntrnls äk8 art8 nppiigu68 a l'inäuMrw ihren Platz innerhalb der französischen Kunstausstellung erhalten. In England ist man seitens der osficiellen Kunst­ausstellungen sehr zurückhaltend gegen lediglich ornamentale Arbeiten. Aber in den Kreisen der Neueren und Neuesten verschmilzt man die hohe Kunst und die decorative Kunst in gleichem Streben. Die ^rt,8 anä OrakM exbibllion 8oci6t)-' bringt seit einigen Jahren ganz kleine aber außerordentlich gewählte Ausstellungen, in welchen geistreiche Künstler, von denen Walter Crane bei uns der bekannteste sein mag, neue Probleme für Formen und noch mehr für Farben vorführen, bei denen sogar die hohe Kunst stärker von der decorativen beeinflußt wird als umgekehrt, wie denn auch der geniale Decorateur William Morris Präsident der Gesellschaft ist. Sehr bemerkenswerth ist es, daß die Ausstellungen sich nur alle zwei Jahre wieder­holen um den Erfindungen Zeit zum Ausreisen zu lassen.

Dieses gleichzeitige Auftauchen verwandter Bestrebungen an den großen Kultur­stätten die kleinen schließen sich selbstverständlich an zeigt hinreichend, daß es sich hier nicht um eine Laune handelt, sondern daß die Kunst unserer Zeit die Einkapselung innerhalb rein idealer Aufgaben nicht verträgt, sondern mit ihren neuen Richtungen das Leben in allen seinen Erscheinungen zu durchdringen sucht.

Somit dürfen wir es dankbarlichst begrüßen, daß auch die Berliner Aus­stellungen mit dem alten Banne brechen und den weniger anspruchsvollen Schöpfungen in der Kunst gleiches Licht und gleiche Luft gewähren.