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Deutsche Rundschau.
die höchste Wirkung erzielen. Ein einziger vollendet gemalter Tops, aus besonderem Sockel zwischen Gemälden ausgestellt, gilt und wirkt als Kunstwerk, das seinem Schöpser alle Ersolge und Ehren einbringen kann. Die Wiederholungen können ihm nur schaden.
In einer Gewerbe- oder auch einer gewöhnlichen Kunstgewerbeausstellung, in welcher man dem Verlaus der Waaren erhebliche Zugeständnisse machen muß, derartige neue Kunstgedanken rein herauszuschälen, ist überaus schwer, ja vielleicht unmöglich. Wir haben also alle Veranlassung, den Grundgedanken des Anschlusses an die Kunst sestzuhalten und nur dasür zu sorgen, daß er sich in gesunder Weise gedeihlich entwickele.
Viel schlimmer als die Versehen, die innerhalb der oben angeführten Gesichtspunkte entstanden sein mögen, sind übrigens auf der diesjährigen Ausstellung die Fehler gewesen, die man der allgemeinen Decoration zu Liebe geduldet hat. An sich ist das Bedürsniß, die unwirthlichen Räume in Moabit behaglich zu decoriren, hinreichend gerechtfertigt. Leider fehlt es hierzu bei uns an leicht beschaffbarem Material. Wenn in Paris eine Ausstellung decorirt werden soll, so verfügt man über die herrlichen Gobelins der Gardemeubles; ein Ehrensaal für Büsten u. dgl. wird mit diesem Wandschmuck und einigen Gruppen von Blattpflanzen ohne irgend welche Schwierigkeit mit absoluter Sicherheit des Erfolges hergerichtet. Bei uns Hilst man sich mit orientalischen Teppichen, den Magazinen entnommen, deren Firmen angehestet werden, kommt aber damit nicht über Flickereien hinaus, da ein Material, das für den Fußboden bestimmt ist, an der Wand unrichtig wirkt.
Man hat in diesem Jahre in der Herrichtung, Theilung und Beschattung der Wände, so weit es in diesem Gebäude möglich ist, sehr verdienstlich geneuert; es hat sich auch hier wieder die sichere Hand des leitenden Architekten Hoffacker, dem wir einen guten Theil unserer Ersolge in Chicago verdanken, trefflich bewährt. Eine besonders glückliche Idee war es, kleine Cabinete einzusühren, denen geschickte Decorateure in Wand, Boden und Mobiliar eine bestimmte Farbentönung gaben, die für einen bestimmten Kreis von Bildern den gewünschten Hintergrund bilden konnte. Auch die Münchener Secessionisten haben für die verschiedenen Kolorite der Bilder Cabinete mit lichtgelben, grünen, rothen und blauen Wänden hergerichtet. Die Berliner Decorateure, welche Tapeten und Teppiche hinzusügen, gehen hierin noch weiter. Hier kann man es sich gefallen lassen, wenn Tische und Stühle eingestellt werden, die nichts Besonderes bieten, aber die Grundstimmung in Form und Farbe weiter führen. Wenn man dagegen in ein mit verschiedenartigen Bildern vollgehängtes Cabinet von neutraler Wandfarbe eine Möbelgarnitur oder auch nur Spiegel und Schmuckschränke hineinstellt, wie in eine „gute Stube", und nun meint, damit die Starrheit der Bildermassen angenehm unterbrochen zu haben, so ist man in einem verwunderlichen Jrrthum. In solchem Falle wirken die betreffenden Möbel als Ausstellungsobjecte, und wenn sie den Ansprüchen, die man an solche stellen muß, nicht genügen, so gereichen sie lediglich zu einer unverständigen Störung. Es ist ganz unbegreiflich, bis zu welchem Grade man in dieser Ausstellung den Decorateuren freie Hand gelassen hat, was sie Alles in den Landesausstellungspalast, unter der Vorgabe zu decoriren, haben hineinstellen dürfen. Von den vorhandenen Möbeln waren nur verschwindend wenige berechtigt zu erscheinen, dabei waren so Viele an- gesahren, daß sich in den Durchgängen oft drei, vier Büffets und Schränke an einander drängten. Was von diesen Stücken durch die kunstgewerbliche Commission gebilligt und was von den Tapezierern als „Decoration" hinzugesügt war, konnte der Beschauer nicht unterscheiden und mußte schließlich glauben, daß alle diese Waaren von der königlichen Akademie und dem Verein der Berliner Künstler als würdig angesehen worden seien. Den Kundigen konnten die großen angehesteten Firmenschilder allenfalls belehren; wer nicht Fachmann ist, kann aber nicht wissen, ob der Inhaber der Firma kunstgewerblicher Fabrikant oder Händler ist. Manchmal ist er auch beides. Man hat aber den Händlern sogar gestattet, ganz fremden Kram