Das Kunstgewerbe auf der Berliner Kunstausstellung.
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von veralteten Formen in die Säle hineinzuftellen. Kamingarnitnren von französischer Bronce aus den vierziger Jahren, Figuren der königlichen Porcellan- manusactur, welche die Manusactur selbst als nicht gelungene Waare billig aus- verkaust hat, und derartige unverwerthbare Ladenbestände machten sich breit. Nicht besser sah es in der chinesisch-japanischen Gruppe aus. Wenn es möglich ist — gleichviel ob aus Privatbesitz oder ans einer Kunsthandlung — wirklich gute ostasiatische Kunstwerke anszustellen, so ist dies bei dem starken Einflüsse von Japan auf den heutigen Geschmack sehr willkommen; aber was hat denn in einer Kunstausstellung die plumpe Marktwaare zu thun, die in Japan für die ungebildete Masse europäischer Abnehmer liederlich und grellfarbig hergestellt wird?
Ebenso unklar und systemlos hat man Stickereien zngelassen, Kopien alter Tapisserien, Kopien von Kupferstichen, Tischdecken, deren Borten nach älteren Stickereien des Kunstgewerbemuseums copirt sind, sehr hübsch sür eine Gewerbe- ausstellnng als Decke auf einen Tisch, aber ganz ungehörig in einer Kunstausstellung, an der Wand ausgehängt. Und so geht es weiter durch alle Gebiete hindurch, immer mit dem Bestreben, nur ja recht viel von dem zuzulafsen, was man auf Grund einer gewissen Fülle von Ornamenten nach oberflächlichem Sprachgebrauch als kunstgewerblich bezeichnen kann. Augenscheinlich hat man geglaubt, durch solche Bereitwilligkeit dem Kunstgewerbe, als dem neuen Gaste, einen besonderen Dienst zu erweisen. Aber gerade diese Anschauung macht es mir zur Pflicht, öffentlich Einsprache zu erheben.
Durch die Vermischung der durch eine Prüfungskommission zugelassenen, auch nicht einwandssreien, und der durch die Tapeziere selbständig eingestellten Stücke mußte ein Wirrsal entstehen, das den Anblick der Säle entstellte und das heimische Kunstgewerbe in der öffentlichen Werthschätzung herunter setzte. Ich muß es hier mit voller Bestimmtheit wiederholen, daß ein erheblicher Theil der Stücke, die sich gerade am anspruchsvollsten entfalteten, auf einer kunstgewerblichen Ausstellung von verständiger Leitung nicht zngelassen worden wären.
Auch die Äußerlichkeiten kommen hierbei in Betracht: auf keiner Ausstellung dürste es gestattet werden, daß sich die gewerblichen Firmenschilder in Placatsorm vordrängen, daß jeder aus Stuckmarmor fabricirte Sockel einer Büste ein Placat mit Preisangabe trägt, größer als das Namensschild des Bildhauers u. s. w. In keiner aus Industriellen zusammengesetzten Commission würde der Industrie das erlaubt worden sein, was ihr hier die Künstler erlaubt haben.
Es hatte sich die Frage aufgedrängt, ob auf Grund der hier gemachten Erfahrungen es wünschenswerth sein könne, daß sich bei der Gewerbeausstellung von 1896 das Kunstgewerbe mit der Kunst, statt mit dem Gewerbe, zusammenthue. Es bleibt Wohl nicht zweifelhaft, daß der Platz der weitaus größesten Menge aller Betriebe und die richtige Abschätzung ihres Werthes beim Gewerbe zu erhoffen ist. Dies schließt keineswegs aus, daß man auch 1896 einzelne ganz hervorragende Stücke von schöpferischer Kraft den Bildern und Sculpturen anreiht. Die Zahl der hierfür wirklich geeigneten Stücke wird nicht so groß sein, daß sie im Gewerbepalast Lücken entstehen ließe oder den Kunstpalast überfüllte.
Will man dagegen den 1894 beschrittenen Massenaufmarsch sortsetzen, so schadet man der Kunst und dem Kunstgewerbe in gleicher Weise. Daß man den besten Willen gehabt hat, ändert an der Sache nichts; wer die Verantwortlichkeit für die Mißgriffe trägt, zu untersuchen, ist nicht meines Amtes. Aber so viel ist klar: je complicirter eine Commission zusammengesetzt ist, je öfter sie in ihren Mitgliedern wechselt, je mehr sie von den Strömungen jährlicher Wahlen abhängig ist, um desto weniger wird sie Anforderungen entsprechen können, welche außerhalb des eigentlichen Wirkungskreises der einzelnen Mitglieder liegen. Um desto mehr ist es also geboten, daß die Grundsätze, nach denen bleibend Verfahren werden soll, geklärt werden. Lediglich dies und nicht eine nachträgliche Kritik ist der Zweck dieser Ausführung. Julius Lessing.
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