Heft 
(1894) 81
Seite
308
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politische Rundschau.

^Nachdruck untersagt.^ Berlin, Mitte October.

Kaiser Wilhelm und Fürst Bismarck haben beinahe zu derselben Zeit dem deutschen Nationalgesuhle, gegenüber den in jüngster Zeit lebhafter geltend gemachten Bestrebungen des Polonismus, in hohem Grade dankenswerthe Anregungen gegeben. In Thorn richtete der Kaiser, als er am 22. September dort weilte, an die Ver­treter der Stadt eine Ansprache, in der er zunächst sür die ihm zu Theil gewordene Begrüßung dankte, dann aber unter Hinweisung aus den deutschen Charakter der Stadt betonte, daß die polnischen Bürger lediglich dann aus seine Gnade und Theilnahme in demselben Maße wie die Deutschen rechnen dürsten, wenn sie sich unbedingt als preußische Unterthanen sühlten. Hieran knüpfte der Monarch die bedeutsame Bemerkung, daß es nur unter der Voraussetzung möglich wäre, den Kamps gegen den Umsturz siegreich zu Ende zu sühren, salls Alle, Mann au Mann geschlossen, wie eine Phalanx zusammenstehen würden. Viel eingehender erörterte Fürst Bismarck die von Seiten des Polonismus drohenden Gefahren, in­dem er beim Empfange der aus der Provinz Posen eintreffenden Landsleute am 16. September, sowie acht Tage später, als in Varzin zahlreiche Deutsche West­preußens zur Begrüßung eingetroffen waren, im Einzelnen das Vorgehen des polnischen Adels und des mit diesem Verbündeten Clerus einer scharfen Kritik unterzog. Sicherlich werden die Worte des Kaisers sowohl als auch diejenigen des Fürsten Bismarck zur Stärkung des deutschen Nationalgesühls beitragen; der frühere Reichskanzler unterließ aber nicht, zu betonen, daß, wenn in demherzerhebenden" kaiserlichen Ausrufe zum Kampfe gegen den Umsturz ausgefordert worden sei, sür ihn der polnische Adel gleichfalls eine Partei des Umsturzes darstelle. Kehren in diesen bemerkenswerthen Ansprachen charakteristische Betrachtungen über den Kamps gegen den Umsturz wieder, so darf mit Interesse den bevorstehenden parlamentarischen Verhandlungen entgegengesehen werden. Ist doch bereits in der Presse aufs leb­hafteste darüber gestritten worden, in welchem Maße ein solcher Kamps aus dem Gebiete der Gesetzgebung ausgenommen und durchgesochten werden soll.

Was aber in Bezug aus die Zurückweisung polnischer Bestrebungen vom Kaiser Wilhelm und dem früheren Reichskanzler hervorgehoben worden ist, mußte nicht bloß in Deutschland, sondern auch in den osficiellen russischen Kreisen beruhigend wirken. Mit tiefem Bedauern ist die Nachricht von der Erkrankung des Zaren in Rußland und außerhalb der Grenzen dieses Reiches ausgenommen worden. Hat sich doch Kaiser Alexander III. als ein zuverlässiger Freund der Ausrechterhaltung des europäischen Friedens erwiesen, mochten ihm immerhin in Frankreich im Hinblick aus das zwischen der Republik und Rußland abzuschließende Zukunstsbündniß andere Bestrebungen zugeschrieben werden. Gerade vor Jahresfrist wohnte der Schreiber dieser Zeilen in Paris den zu Ehren des Admirals Avellan und der russischen