Politische Rundschau.
311
ungarischen Delegirten einnahmen, wobei insbesondere ans die angeblichen Bestrebungen der Rumänen für die „Romania irrsäsiün" auf Kosten Ungarns hingewiefen wurde, fo konnte Graf Kalnoky doch die gehegten Besorgnisse mühelos zerstreuen. Treffend wies der Leiter der auswärtigen Angelegenheiten, an das Beispiel der „Italia irrsäsiürO anknüpfend, darauf hin, daß er in Bezug auf Rumänien genau dieselben Erfahrungen gemacht habe wie hinsichtlich Italiens. Diese Erfahrungen lassen sich aber dahin zufammensassen, daß, je bessere Beziehungen mit der fremden Negierung unterhalten werden, desto mehr die Wirksamkeit der „IrrsäsntcO versiegt, während diese sogleich wieder ihr Haupt erhebt, wenn vermuthet werden darf, daß zwischen den Regierungen eine gewisse Erkaltung oder Spannung eingetreten ist. Durch dieses Argument wurden zugleich die an anderer Stelle gegen die Tripelallianz erhobenen Bedenken widerlegt, nach denen das Bundesverhältniß nur Deutschland zu statten kommen sollte. Als ob der von den italienischen Jrredentisten gegen Oesterreich geführte Feldzug nicht sofort in schärferer Form und mit größerer Aussicht auf Erfolg fortgesetzt werden würde, falls nicht eben die Regierungen gemäß den durch den Dreibund geschaffenen Verhältnissen die besten Beziehungen unterhielten.
In Bezug auf Bulgarien führte Graf Kalnoky im ungarischen Delegations- ausschusse aus, daß der jüngste Regierungswechsel, die Ersetzung Stambulow's durch Stoilow, auf kein Motiv der äußeren Politik zurückgeführt werden dürfe, wie denn auch die neue Regierung in nichts die äußere Politik ihrer Vorgängerin geändert habe. Von besonderem Interesse war in dieser Beziehung die Erklärung des Grasen Kalnoky, er besitze die allerentschiedensten Versicherungen, daß das Ministerium Stoilow ebenso bemüht sein werde, das von Stambulow hergestellte gute Einvernehmen mit der Pforte aufrecht zu erhalten, wie zugleich nicht das geringste Anzeichen dafür vorhanden sei, daß das Verhältniß Bulgariens zu Oesterreich-Ungarn eine Veränderung erfahren könnte.
Von allgemeiner Bedeutung war das Eingehen des Ministers des Auswärtigen auf das Verhalten, das gegenüber der anarchistischen Bewegung beobachtet werden soll. Mußten mit Rücksicht aus die Verschiedenartigkeit der anarchistischen Propaganda in den romanischen sowie in den übrigen Ländern internationale Vereinbarungen von Anfang an verfehlt erscheinen, so betonte Gras Kalnoky noch ausdrücklich, daß ein solches Abkommen von keiner Seite angeregt worden wäre. Der Minister des Auswärtigen fügte hinzu, daß mehr in der öffentlichen Meinung als unter den Regierungen der Wunsch geäußert worden sei, in dieser Angelegenheit eine gemeinsame Action einzuleiten oder doch Maßregeln internationaler Natur zu vereinbaren. Graf Kalnoky constatirte die bei den Regierungen vorherrschende Ansicht, daß auf dein Wege der Gesetzgebung eine derartige gemeinsame Action nicht zu Stande kommen könne, daß vielmehr jeder Staat, indem er vielleicht mit den anderen Fühlung zu gewinnen suche, die nach der eigenen Gesetzgebung zulässigen Maßregeln werde ergreifen müssen. Eine Verständigung auf dem Wege der Polizei und der Verwaltung bleibt deshalb nicht ausgeschlossen. Haben sich doch gerade die wechselseitigen Benachrichtigungen der Polizeibehörden sehr nützlich erwiesen, wie durch eine Reihe von Fällen erhärtet worden ist.
Da es im ungarischen Delegationsausschusse längst üblich ist, „äs omni rs 8oibi1i st guibu8äum aliw" zu interpelliren, stellte ein Delegirter, der Erzbischof Samassa von Erlau, Erörterungen über die Vorbereitungen des österreichisch-ungarischen Cabinets im Hinblick auf die nächste Papstwahl an. Die dem Vatican näher stehenden Organe unterließen nicht daraus hinzuweisen, daß es wenig tactvoll sei, eine solche Angelegenheit ohne jeden Grund zur Besprechung zu bringen, zumal da sich Leo XIII. der besten Gesundheit erfreue. Dieser Vorwurf kann sich aber nur gegen den Kirchenfürsten richten, der hinter seinen weltlichen Collegen nicht zurückstehen wollte und die Anzahl der Interpellationen um eine weitere vermehrte. In durchaus correcter Weise erwiderte Kras Kalnoky in Bezug aus die Frage, ob in Rom