Politische Rundschau.
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gründung der Auffassung der „UaUe" erscheint durchaus zutreffend, wenn davon ausgegangen wird, daß die Mächte, so lange das Papstthum insbesondere ein politischer Staat war, in gewissem Maße berechtigt erscheinen konnten, sich in die Wahl des Papstes einzumischen. Damals mußte Frankreich sich ebenso entschieden und so weit als möglich der Wahl eines Papstes widersetzen, dessen ganze Sympathien aus Seiten Oesterreichs waren, wie dieses nicht dulden konnte, daß die päpstliche Macht in die Hände eines Kardinals mit französischen Neigungen fiel. Durch die Aushebung der weltlichen Macht ist das Papstthum von den Banden befreit, die daraus oftmals das gelehrige Instrument der Staaten oder ihrer Begehrlichkeiten machten, so daß es nunmehr, daraus beschränkt, nur noch eine religiöse Gewalt zu sein, berechtigt erscheint, frei von jedem Zwange zu bleiben und keinem fremden Staate, eine längst verjährte und in Verfall gerathene Prärogative zuzugestehen. Eine drastischere Erwiderung hätten die von dem Erzbischöfe von Erlau im ungarischen Delegationsausschusse in Bezug ans die Freiheit des nächsten Conclave geäußerten Besorgnisse gar nicht finden können. Ist es doch nicht die italienische Regierung, durch die diese Freiheit bedroht wird; vielmehr soll dieselbe gerade ans die Unterstützung Italiens zählen dürfen, sobald von Oesterreich-Ungarn oder Frankreich eine Beschränkung der völligen Unabhängigkeit des Conclave in Anspruch genommen werden sollte. „UUmra Oüi68a in Ubero 8tato"; dieses in anderen Beziehungen anfechtbare Schlagwort Cavour's würde also in Bezug ans die Papstwahl Geltung erhalten, falls die römische Curie auf die von italienischer Seite gemachten Vorschläge eingehen würde.
Mögen immerhin die Ultraradicalen und Republikaner jenseits der Alpen über Verrath schreien; Crispi's ganze Vergangenheit bürgt dafür, daß er keineswegs gewillt sei, das 8aeriümo äell' intellatto zu bringen, indem er vor dem Vatican capitnlirt. Sehr charakteristisch ist denn auch, daß eine der hervorragendsten Persönlichkeiten Italiens, dessen berühmtester Dichter der Gegenwart, Giosuo Carducci, der gleichfalls früher von den „Republikanern" als Gesinnungsgenosse in Anspruch genommen wurde, sich beeilt hat, seine volle Uebereinstimmung mit der Auffassung Crispi's in Bezug aus die Nothwendigkeit der Religion im Staatsleben zu betonen. Giosuo Carducei wiederum, dessen Hymnus an Satan mit Unrecht als eine atheistische Kundgebung angesehen worden ist, während dieser „Inno n 8atana" in Wahrheit nur für die unbedingte Freiheit der Forschung eintritt, konnte sich gerade den Republikanern gegenüber aus eine Autorität wie Mazzini berufen. Alles dies wird freilich nicht verhindern, daß sogleich nach der Wiedereröffnung des Parlaments die extremen Elemente der Linken im Bunde mit anderen Gegnern Crispi's dessen Rede in Neapel zum Anlasse eines neuen Ansturmes zu benutzen suchen werden. Mußte die Opposition doch die Ueberzeugung gewinnen, daß die Resormpolitik des gegenwärtigen Conseilpräsidenten im klebrigen so sehr den Interessen des Landes entspricht, daß ihm der Sieg verbleiben wird. Falls jedoch nicht alle Anzeichen trügen, wird auch die jüngste Phase der Kirchenpolitik Crispi's keinen erfolgreichen Widerstand finden.