Frau von Bronsart und Bayreuth.
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Frau von Bronsart und Bayreuth.
Von Herrn Hofrath Professor vr. Eduard Hanslick in Wien geht uns das Nachfolgende zur Veröffentlichung zu:
Die Gemahlin des Großherzogl. weimarischen Hoftheater-Jntendanten Baron von Bronsart, Frau Jngeborg von Bronsart, ersucht mich in einem Briefe, datirt Kisfingen 13. September d. I., um Berichtigung einer Stelle in meinen Lebenserinnerungen (Juniheft der Deutschen Rundschau 1894), welche von den ersten Bahreuther Festspielen erzählt. Ich glaube den Wunsch der hochgeehrten Frau von Bronsart am besten zu erfüllen, indem ich ihren Brief, so weit er unsere Angelegenheit betrifft, hier wörtlich mittheile.
Frau von Bronsart schreibt: „Hochgeehrter Herr Professor! Als Herr Or. Rodenberg mir Ihren Aufsatz ,Aus meinem Leben' zuschickte, in dem Sie mit so großer Liebenswürdigkeit unserer Begegnung in Bayreuth gedenken, fiel mir sofort ein kleines Mißverständniß aus, mit dessen Berichtigung ich aber nicht glaubte Sie belästigen zu sollen. Neuerdings jedoch ist die betreffende Aeußerung Ihres Aufsatzes von der Weimarer Zeitung ,Deutschland' zum Ausgangspunkt eines gegen mich persönlich gerichteten, höchst gehässigen Angriffs benutzt worden. Obwohl mein Mann seit seinem Amtsantritt vergeblich bemüht gewesen ist, das Aufführungsrecht von ,Siegfried' und ,Götterdämmerung' von den Wagner'schen Erben zu erlangen, und ich selbstredend nie mit einem Worte dagegen gesprochen, sondern mit meinem Manne der Ansicht bin, daß das Hoftheater die Pflicht hat, außer den bereits dort aufgeführtcn beiden ersten Opern des Nibelungenrings auch die beiden letzten zu bringen, hat die Zeitung ,Deutschland' mich verdächtigt, durch meinen Einfluß die Aufführung der genannten Opern Hintertrieben zu haben, und zur Begründung dieser seltsamen Behauptung sich auf die Stelle Ihres Aufsatzes bezogen, wo Sie von den vier Bahreuther ,Martertagen' sprechen und meiner Zustimmung erwähnen. Ich kann mich natürlich nicht jedes Wortes unseres Gesprächs erinnern, möchte mir aber erlauben, zu> constatiren, daß das Anhörcn der Nibelungen keinesfalls von mir als Marter empfunden worden, wenn auch bei den übermäßigen Längen dieses Werkes, unter den damaligen localen Verhältnissen, der großen Hitze, der höchst mangelhaften Vorkehrungen für die Festgäste und vor Allem des sich überall auf- drängenden blindwüthigen Fanatismus der sogenannten Wagnerianer, von denen der Meister selbst seufzend einmal zu Liszt geäußert hat: ,Ja, wenn diese Esel, die Wagnerianer, nur nicht wären!' — wenn auch dieses Alles zusammengenommen schon geeignet war, auch den aufrichtigen Bewunderern des Wagner'schen Genius den Genuß zu trüben. Zu Letzteren habe ich stets gehört und gehöre ich noch, wenn ich auch nicht auf dem Standpunkte jener Fanatiker stehe, die zwar anerkennen, daß die Sonne ihre Flecken hat, aber von irgend einer Schwäche der Wagner'schen Muse nichts wissen wollen. Die Aufführungen in Bayreuth hatten für mich ein hohes künstlerisches Interesse (auch später habe ich keine Gelegenheit versäumt, einer Aufführung der Nibelungen beizuwohnen); meine Aeußerung gegen Sie konnte sich also nur darauf beziehen, daß ich nach Ihren Schilderungen begriff und zustimmte, daß diese Tage für Sie Martertage sein mußten. Sie würden mir einen großen Dienst erweisen, wenn Sie dieser beispiellosen Ausschreitung der Zeitung ,Deutschland' die Spitze abbrechen wollten, indem sie einige aufklürende Worte über jene Aeußerung an die ,Deutsche Rundschau' richten."