Heft 
(1894) 81
Seite
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Literarische Notizen.

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Band. München, C. H. Beck'sche Verlags- Buchhandlung. Oskar Beck. 1893.

Der Verfasser gehört zu den wenigen philo­logischen Forschern, welche den Stoff der an­tiken Geschichte unter den Gesichtspunkten der Nationalökonomie kritisch zu sichten und neu anzuordnen bestrebt sind. Er hat mehrere Preisaufgaben der Fürstlich Jablonowski'schen Gesellschäft zu Leipzig mit Erfolg gelöst, so ins­besondereDie Uebervölkerung der antiken Groß­städte" (Leipzig 1884). Diese Erfolge haben ihn wohl veranlaßt, ein näheres Interesse der heutigen volkswirthschaftlichen Literatur zuzu­wenden, und mit diesen Kenntnissen ausgerüstet, legt er jetzt einen ersten Band des neuen um­fangreichen Werkes über den antiken Commu- nismus und Socialismus vor. Dieser enthält den größten Theil dessen, was sich aus Griechen­land bezieht, während ein Rest davon sowie die römische Geschichte nebst den religiösen Erschei­nungen im Judenthum und Christenthum dem zweiten Bande Vorbehalten bleibt. Der Verfasser untersucht die Spuren der ältesten griechischen Zeit, zumal an der Hand der Homerischen Ge­dichte, auf das Vorkommen eines primitiven Gesammteigenthums. Den Schwerpunkt des Bandes aber bildet eine sehr eingehende Dar­legung dessen, was Plato in seinen staats­wissenschaftlichen Büchern gelehrt hat. Der be­kannte Inhalt derselben wird in Zusammenhang mit den neueren politischen und ökonomischen Aeußerungen heutiger Fachmänner gebracht, und die beständigen Parallelen erinnern deutlich an die Methode Wilhelm Roscher's. Im Ganzen bleibt es zweifelhaft, ob dem Umfange des neuen Werkes die Masse des neuen Inhaltes gegen­über seinen Vorgängern entspricht. Der Stofs bleibt, auch unter seiner Behandlung, ein ziemlich eng umgrenzter, an dem sich nun wiederholte Deutungen immer wieder versuchen. In jedem Falle verdient der Fleiß des Autors warme An­erkennung und Ermunterung für die Vollendung des Begonnenen.

x/. Das Communalabgabengesetz vom 14. Juli 1893. Für den praktischen Ge­brauch mit einer geschichtlichen Einleitung und Erläuterungen versehen von F. Adickes, Oberbürgermeister in Frankfurt am Main. Berlin, I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. 1894.

Am 1. April 1895 tritt das neue Gesetz über die Gemeindebesteuerung in Kraft ein umfassendes Werk, die Codification des preußi­schen Communalsteuerwesens und Communal- einnahmewesens überhaupt, zugleich der Ab­schluß der Miquel'schen Steuerreform. Der Nachfolger Miquel's im Frankfurter Bürger­meisteramt, eine in der Gemeindeverwaltung hervorragende, wissenschaftlich geschulte Persön­lichkeit, gibt in dem vorliegenden Buche eine geschichtliche Darlegung des Entwicklungsganges, der bis zu dem gegenwärtigen Gesetze geführt hat, und einen Commentar zu den einzelnen Paragraphen des Gesetzes. Geradeso wie das Steuerreformwerk selber, so ist auch diese Er­läuterung aus einem lebendigen Zusammen­hangs mit den Erkenntnissen und Fortschritten

der Steuerwissenschaft hervorgegangen. Dieselbe wird daher nicht nur das Verständniß des Ge­setzes in den weiten dadurch betroffenen Kreisen fördern, sondern auch zu der so wünschens- werthen Ausbreitung staatswissenschaftlicher und finanzieller Bildung beitragen. Insbesondere werden die Gemeindeverwaltungen, städtischen Körperschaften, Vertretungen der Bürgerschaft und der Kreiseingesessenen, daraus großen Nutzen ziehen; das neue Gesetz selber aber wird so viel leichter in die Gewöhnungen übergehen, r?. Rheinlieder. Aus dem Munde der Dichter ausgewählt von Carl Hessel. Coblenz, W. Groos'sche Hofbuchhandlung. 1894.

Unerschöpflich ist die Fülle der Lieder, die den Rhein verherrlichen: die Sage, die Legende hat seine blühenden Ufer mit ihren unverwelk- lichen Kränzen geschmückt, und die stolzesten na­tionalen Erinnerungen verbinden sich mit seinem Namen. Aus einem solchen Schatze von Poesie zu wählen, ist schwer; doch der Herausgeber der vorliegenden Sammlung hat mit sicherer Hand herausgegriffen, was seinem Zweck entsprach und es sinnig zu Gruppen geordnet, in denen der Rhein als deutscher Strom gefeiert, das Leben am Rhein geschildert, der Rheinwein ge­priesen, das rheinische Land in Vorzeit und Gegenwart besungen und mit einem Blick in seine Nebenthäler geschlossen wird. Kaum ein i deutscher Dichter von irgend welchem Belang, der hier nicht mit einem Liede vertreten wäre; die mundartliche Dichtung, alemannisch, pfälzisch, der Dialekt von Coblenz und das Kölner Platt mischen sich hinein, und die Stimmen fremder ^ Völker und ferner Jahrhunderte fehlen nicht im volltönigen Chor: Ausonius, der Poet von Burdigala und Venantius Fortunatus, der Bischof von Poitiers singen in lateinischen, Byron und Mrs. Norton in englischen, Nicolas Martin in französischen Versen, vom Heraus­geber vortrefflich verdeutscht, das Lob des Rheines. Die Alpenrose, die Gottfried Keller hineinwirst, wird uns für immer theuer sein, als ein schönes Symbol der poetischen Gemein­schaft zwischen Deutschland und der Schweiz. Letzte Dorfgänge, Kalendergeschichten und Skizzen aus dem Nachlaß von Ludwig Anzengruber. Stuttgart, I. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger. 1894.

Das Buch enthält Manches, was besser im Nachlaß verblieben wäre. Namentlich in den Mären aus alter Zeit" schreitet der Dichter unsicher auf ungewohntem Boden; und ebenso zeigt er sich in denSkizzen", die in der Mehr­zahl großstädtisches Leben darstellen wollen, nicht von seiner stärksten Seite. Doch reichlich entschädigen uns eine Anzahl derDorfgänge", wo mit schalkhafter Anmuth, längst bekannt und doch wieder neu, ein fröhlich-lebendiges Völkchen an uns vorübergleitet, aber auch herbe Schicksale sich mit unerbittlicher Folgerichtigkeit erfüllen. Anzengruber hat selten Großes ge­leistet, wenn er aus seiner ureigenen Sphäre heraus trat; den unübertrefflichen Darsteller ländlichen Lebens aber im Gedächtniß unsres Volkes lebendig zu erhalten, wird auch dieser Band ein Gutes beitragen.