Heft 
(1894) 81
Seite
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Effi Briest.

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drei Tagen mit Jnnstetten allein war, und ich, von meinem Zimmer her, dem Gang ihrer Unterhaltung folgen konnte. Nachher sprach auch ich ihn. Voll­kommener Cavalier, ungewöhnlich gewandt. Jnnstetten war während des Krieges in derselben Brigade mit ihm, und sie haben sich im Norden von Paris bei Gras Groben öfter gesehen. Ja, meine liebe Mama, das wäre nun also Etwas gewesen, um in Kessin ein neues Leben beginnen zu können; er, der Major, hat auch nicht die pommerschen Vorurtheile, trotzdem er in Schwedisch-Pommern zu Hause sein soll. Aber die Frau! Ohne sie geht es natürlich nicht, und mit ihr erst recht nicht."

Effi hatte ganz recht gehabt, und es kam wirklich zu keiner weiteren An­näherung mit dem Crampas'schen Paare. Man sah sich 'mal bei der Borcke'schen Familie draußen, ein andermal ganz flüchtig aus dem Bahnhof und wenige Tage später aus einer Boot- und Vergnügungsfahrt, die nach einem am Breitling gelegenen großen Buchen- und Eichenwalde, derder Schnatermann" hieß, gemacht wurde; es kam aber über kurze Begrüßungen nicht hinaus, und Effi war froh, als Anfang Juni die Saison sich ankündigte. Freilich fehlte es noch an Badegästen, die vor Johanni überhaupt nur in Einzelexemplaren einzutreffen pflegten, aber schon die Vorbereitungen waren eine Zerstreuung In der Plantage wurden Caroussel und Scheibenstände hergerichtet, die Schiffers­leute kalfaterten und strichen ihre Boote, jede kleine Wohnung erhielt neue Gardinen, und die Zimmer, die feucht lagen, also den Schwamm unter der Diele hatten, wurden ausgeschwefelt und dann gelüstet.

Auch in Effi's eigener Wohnung, freilich um eines anderen Ankömmlings als der Badegäste willen, war Alles in einer gewissen Erregung; selbst Frau Kruse wollte mitthun, so gut es ging. Aber davor erschrak Effi lebhaft und sagte:Geert, daß nur die Frau Kruse nichts anfaßt; da kann nichts werden, und ich ängstige mich schon gerade genug." Jnnstetten versprach auch Alles, Kriftel und Johanna hätten ja Zeit genug, und um seiner jungen Frau Ge­danken überhaupt in eine andere Richtung zu bringen, ließ er das Thema der Vorbereitungen ganz fallen und fragte statt dessen, ob sie denn schon bemerkt habe, daß drüben ein Badegast eingezogen sei, nicht gerade der erste, aber doch einer der ersten.

Ein Herr?"

Nein, eine Dame, die schon früher hier war, jedesmal in derselben Wohnung. Und sie kommt immer so früh, weil sie's nicht leiden kann, wenn Alles schon so voll ist."

Das kann ich ihr nicht verdenken. Und wer ist es denn?"

Die verwittwete Registrator Rode."

Sonderbar. Ich habe mir Registratorwittwen immer arm gedacht."

Ja," lachte Jnnstetten,das ist die Regel. Aber hier hast Du eine Aus­nahme. Jedenfalls hat sie mehr als ihre Wittwenpension. Sie kommt immer mit viel Gepäck, unendlich viel mehr als sie gebraucht, und scheint überhaupt eine ganz eigene Frau, wunderlich, kränklich und namentlich schwach aus den Füßen. Sie mißtraut sich deshalb auch und hat immer eine ältliche Dienerin