Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

gut er ist aber Niemeher ist mir lieber; er hat mich getauft und eingesegnet und getraut, und Nierneher soll mich auch begraben." Und dabei fiel eine Thräne aus ihre Hand. Dann aber lachte sie wieder.Ich lebe ja noch und bin erst Siebzehn, und Niemeyer ist Siebenundfünfzig."

In dem Eßsaal hörte sie das Geklapper des Geschirrs. Aber mit einem Male war es ihr, als ob die Stühle geschoben würden; vielleicht stand man schon aus, und sie wollte jede Begegnung vermeiden. So erhob sie sich auch ihrerseits rasch wieder von ihrem Platz, um aus einem Umwege nach der Stadt zurückzukehren. Dieser Umweg führte sie dicht an dem Dünenkirchhos vorüber, und weil der Thorweg des Kirchhofs gerade offen stand, trat sie ein. Alles blühte hier, Schmetterlinge flogen über die Gräber hin, und hoch in den Lüsten standen ein paar Möven. Es war so still und schön, und sie hätte hier gleich bei den ersten Gräbern verweilen mögen; aber weil die Sonne mit jedem Augenblick heißer niederbrannte, ging sie höher hinaus, aus einen schattigen Gang zu, den Hängeweiden und etliche an den Gräbern stehende Trauereschen bildeten. Als sie bis an das Ende dieses Ganges gekommen, sah sie zur Rechten einen frisch aufgeworfenen Sandhügel, mit vier, fünf Kränzen daraus, und dicht daneben eine schon außerhalb der Baumreihe stehende Bank, darauf die gute, robuste Person saß, die, an der Seite der Hauswirthin, dem Sarge der verwittweten Registratorin als letzte Leidtragende gefolgt war. Effi erkannte sie sofort wieder und war in ihrem Herzen bewegt, die gute, treue Person, denn dafür mußte sie sie halten, in sengender Sonnenhitze hier vorzusinden. Seit dem Begräbniß waren Wohl an zwei Stunden vergangen.

Es ist eine heiße Stelle, die Sie sich da ausgesucht haben," sagte Effi, viel zu heiß. Und wenn ein Unglück kommen soll, dann haben Sie den Sonnenstich."

Das wär' auch das Beste."

Wie das?"

Dann wär' ich aus der Welt."

Ich meine, das darf man nicht sagen, auch wenn man unglücklich ist oder wenn Einem wer gestorben ist, den man lieb hatte. Sie hatten sie Wohl sehr lieb?"

Ich? Die? I, Gott bewahre."

Sie sind aber doch sehr traurig. Das muß doch einen Grund haben."

Den hat es auch, gnädigste Frau."

Kennen Sie mich?"

Ja. Sie sind die Frau Landräthin von drüben. Und ich habe mit der Alten immer von Ihnen gesprochen. Zuletzt konnte sie nicht mehr, weil sie keine rechte Luft mehr hatte, denn es saß ihr hier und wird Wohl Wasser gewesen sein; aber so lange sie noch reden konnte, redete sie immerzu. Es war 'ne richtige Berlin'sche. . ."

Gute Frau?"

Nein; wenn ich das sagen wollte, müßt' ich lügen. Da liegt sie nun, und man soll von einem Todten nichts Schlimmes sagen, und erst recht nicht, Wenn er so kaum seine Ruhe hat. Na, die wird sie ja Wohl haben! Aber sie taugte