Effi Briest.
333
nichts und War zänkisch und geizig, und für mich hat sie auch nicht gesorgt. Und die Verwandtschaft, die da gestern von Berlin gekommen . . . gezankt haben sie sich bis in die sinkende Nacht... na, die taugt auch nichts, die taugt erst recht nichts. Lauter schlechtes Volk, happig und gierig und hartherzig, und haben mir barsch und unfreundlich und mit allerlei Redensarten meinen Lohn ausgezahlt, bloß weil sie mußten und weil es bloß noch sechs Tage sind bis zum Vierteljahrsersten. Sonst hätte ich nichts gekriegt, oder bloß halb oder bloß ein Viertel. Nichts aus freien Stücken. Und einen eingerissenen Fünfmarkschein haben sie mir gegeben, daß ich nach Berlin zurückreisen kann; na, es reicht so gerade für die vierte Klasse, und ich werde Wohl aus meinem Koffer sitzen müssen. Aber ich will auch gar nicht; ich will hier sitzen bleiben und warten, bis ich sterbe . . . Gott, ich dachte nun 'mal Ruhe zu haben und hätte auch ausgehalten bei der Alten. Und nun ist es wieder nichts und soll mich wieder 'rumstoßen lassen. Und kattolsch bin ich auch noch. Ach, ich Hab' es satt und läg' am liebsten, wo die Alte liegt, und sie könnte meinetwegen weiter leben... Sie hätte gerne noch weiter gelebt; solche Menschenschikanierer, die nich 'mal Lust haben, die leben immer am liebsten."
Rollo hatte sich mittlerweile vor die Person hingesetzt, die Zunge weit heraus, und sah sie an. Als sie jetzt schwieg, erhob er sich, ging einen Schritt vor und legte seinen Kopf auf ihre Knie.
Mit einem Male war die Person wie verwandelt. „Gott, das bedeutet mir 'was. Da is ja 'ne Kreatur, die mich leiden kann, die mich freundlich ansieht und ihren Kops auf meine Knie legt. Gott, das ist lange her, daß ich so 'was gehabt habe. Nu, mein Alterchen, wie heißt du denn? Du bist ja ein Prachtkerl."
„Rollo," sagte Effi.
„Rollo; das ist sonderbar. Aber der Name thut nichts. Ich habe auch einen sonderbaren Namen, das heißt Vornamen. Und einen andern hat unsereins ja nicht."
„Wie heißen Sie denn?"
„Ich heiße Roswitha."
„Ja, das ist selten, das ist ja . . ."
„Ja, ganz Recht, gnädige Frau, das ist ein kattolscher Name. Und das kommt nun auch noch dazu, daß ich eine Kattolsche bin. Aus'm Eichsseld. Und das Kattolsche, das macht es einem immer noch schwerer und saurer. Viele wollen keine Kattolsche, weil sie so viel in die Kirche rennen. ,Immer in die Beichte; und die Hauptsache sagen sie doch nich' — Gott, wie oft Hab' ich das hören müssen, erst als ich in Giebichenstein im Dienst war und dann in Berlin. Ich bin aber eine schlechte Katholikin und bin ganz davon abgekommen, und vielleicht geht es mir deshalb so schlecht; ja, man darf nich von seinem Glauben lassen und muß Alles ordentlich mitmachen."
„Roswitha," wiederholte Effi den Namen und setzte sich zu ihr auf die Bank. „Was haben Sie nun vor?"
„Ach, gnäd'ge Frau, was soll ich vor haben. Ich habe gar nichts vor. Wahr und wahrhaftig, ich möchte hier sitzen bleiben und warten, bis ich todt