Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

sonderen Verhältnissen. Denn es kommt sonst nicht vor, daß eine relativ kleine Schar von Gästen während eines Monats mit den Majestäten stets an Einem Tische speisen darf.

Die kaleidoskop-artigen Aenderungen des Placements kamen in erster Linie der Unterhaltung zu statten, weil diese sich zwischen täglich anders zusammen­gesetzten Gruppen bewegte. Wenn man die Auszeichnung -genoß, zur Seite der Kaiserin sitzen zu dürfen, so erfuhr man eine noch größere Auszeichnung durch die herablassende Milde der hohen Frau.

Nach der Sitte der früheren Jahre geschah die Bedienung bei Tisch nicht durch Leibjäger und Lakaien, sondern durch einfache Matrosen, welche für die Dauer der Fahrt zu diesem Zwecke commandirt waren und die Bezeichnung Läufer" erhielten. Dadurch bekam die SacheLocalcolorit". Unfälle durch Ungeschicklichkeit oder Ueberhastung kamen nie vor; ein alter Kammerdiener hätte seine Sache nicht besser machen können. Aber man wundert sich darüber nicht, wenn man täglich Gelegenheit hat, das Leben an Bord und die An­stelligkeit der Mannschaft zu beobachten. Dieselbe war aus der ganzen Marine ausgesucht; durch das Commando zu dem Kaiserschiff sollten die Besten und Pflichttreusten belohnt werden.

Ueber die Diensttüchtigkeit der Leute kann ich nicht urtheilen, wenn sie mir auch zweifellos erscheint ; aber immerhin durfte ich mich als Laie darüber freuen, daß die Mannschaft den Dienst stets heiterer Miene verrichtete, daß jeder Einzelne so adrett und flink erschien. In der Instruction war nur ein Punkt nicht vorgesehen: das war das Verhalten gegen die an Bord befindlichen vier Teckel des Kaisers. Diese Thiere, im Bewußtsein ihrer Schönheit, ihrer echten Race und ihrer bevorzugten Stellung, hatten sich einen besonderen Sport erdacht, dem sie mit Erfolg und Leidenschaft huldigten. Er bestand darin, daß sie, meist zu zweit, laut bellend hinter den Matrosen, wenn sie ihren Dienst im Laufschritt verrichteten, herliefen und sie in die Beine bissen. Als die Teckel einmal vor den Augen des Kaisers einen Ober-Bootsmaat attaquirten, ließ der Kaiser der Mannschaft verkündigen, es sollte sich in Zu­kunft Niemand diesen Unfug gefallen lassen.

Außer dem Gefolge wurden zu allen Mahlzeiten als Gäste der Comman- dant des Schiffes, Flügeladjutant von Arnim, befohlen, und diejenigen Officiere des Stabes, welche dienstfrei waren. Man trat dadurch einander viel näher, als es sonst der Fall gewesen wäre; und da es jeder Zeit erwünscht ist, mit Vertretern verschiedener Lebensberufe zu verkehren und Meinungen auszu­tauschen, so wurde dadurch die Vielseitigkeit des Verkehrs erhöht.

Auch für Tafelmusik war gesorgt. Auf Befehl des Kaisers war die Capelle der zweiten Matrosen-Division auf derHohenzollern" eingeschifft worden. Was die Leistungsfähigkeit dieser Künstler betrifft, so ist ausgerechnet worden, daß dieselben während der Nordland-Reise etwa tausend Musikstücke aufgeführt haben. Sie spielten zunächst des Morgens um acht Uhr bei der Flaggen-Parade und gaben zu jeder Mahlzeit ein Concert, das sich meist über die eigentliche Tischzeit verlängerte. Das Programm war von einer über­raschenden Mannigfaltigkeit, Compositionen aller Meister kamen zu Gehör;